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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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    Das verlorene Herz
    Der Brief flatterte in Alessandros Hand. Sie waren aus der Gondel gestiegen und standen nun auf der Riva-Brücke gegenüber dem Ponte dei Sospiri, der Seufzerbrücke. Der Wind spielte mit ihren Gewändern, doch in der Sonne war es bereits recht warm, und Leonora drehte ihr das Gesicht und den schwangeren Leib zu. Sie schwieg, wollte die entscheidenden Worte nicht sagen, doch schließlich sprach Alessandro sie aus: «Er ist es.»
    Die Wahrheit zu hören war wie ein Schock.
    «Er muss es sein. Alter, Beschreibung, seine außergewöhnlichen künstlerischen Fähigkeiten - alles passt. Und dann das Datum ... der Brief wurde nur ein paar Monate nach Corradinos angeblichem Tod geschrieben.»
    Leonora nickte. «Ich weiß.»
    Sie lehnte sich neben ihm auf die Brüstung.
    «Ich muss nach Frankreich.»
    «Ja.»
    «Ich muss sichergehen. Professore Padovani hat Verbindungen zur Sorbonne. Die werden dort sicherlich ebenfalls Aufzeichnungen haben.»
    Alessandro nickte. «Nächstes Jahr, wenn das Baby alt genug ist, fahren wir alle drei. Ich kann mir freinehmen und ...»
    «Ich muss jetzt nach Frankreich.»
    Alessandro schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sagte er betont ruhig: «Leonora, du bist im neunten Monat schwanger. Du kannst jetzt nicht reisen. Du darfst auch gar nicht mehr fliegen.»
    «Ich kann mit dem Zug fahren - oder mit dem Schiff wie Corradino.»
    «Zum Teufel mit Corradino!» Der Ausbruch erschreckte sie beide. In der anschließenden Stille schien sogar der Lärm der Feiernden gedämpft. Mit gesenkter Stimme fuhr Alessandro fort: «In deinem gegenwärtigen Zustand bedeutet jede Reise eine gewaltige Belastung. Und was ist, wenn im Zug die Wehen einsetzen? Oder in Frankreich? Unser Baby sollte hier in Venedig geboren werden, wie du und ich. Nicht in irgendeinem Krankenhaus in Paris. Das lasse ich nicht zu.»
    «Du lässt es nicht zu?», wiederholte Leonora aufgebracht. Sie wusste, dass er recht hatte und dass sie nachgeben musste, doch ärgerte es sie, dass Alessandro so einfach über sie bestimmte.
    «Genau, denn du trägst mein Kind.»
    «Dann benimm dich auch entsprechend!», sagte Leonora wütend. Selbst ein wenig erschreckt, tastete sie nach dem Glasherz, ließ dann aber alle Besonnenheit fahren. In ihrem Zorn vergaß sie, dass sie sich vorgenommen hatte, ruhig und vernünftig zu handeln. «Warum bekennst du dich nicht zu mir? Warum willst du kein fester Bestandteil meines Lebens sein, anstatt zu kommen und zu gehen wie Ebbe und Flut? Ist es wegen Vittoria?»
    «Wie bitte?»
    «Ha, du glaubst, ich weiß nichts davon, aber deine eigene Cousine hat es mir erzählt. Du triffst dich noch immer mit ihr, stimmt's? Zum Beispiel gestern Abend, als du angeblich <Überstunden> machen musstest.»
    Sie war wieder laut geworden, und die Passanten drehten sich neugierig zu ihnen um. Alessandro zog Leonora unter die Loggia und drückte sie auf eine der kalten Marmorbänke. «Setz dich. Denk an das Baby! Du regst dich viel zu sehr auf.»
    «Interessant, wie besorgt du auf einmal bist!»
    Seine Stimme war noch immer beherrscht. «Leonora, ob du es nun glaubst oder nicht, aber du und dieses Kind, ihr seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben.»
    «Und was ist mit Vittoria?», zischte sie. Sie konnte und wollte sich nicht beruhigen. Dies war schon das zweite Mal, dass sie hintergangen wurde. Langsam reichte es ihr. «Diese Frau, die mich zuerst ganz durcheinandergebracht und dann vor aller Welt schlechtgemacht hat? Warum triffst du dich weiter mit ihr, wenn ich dir angeblich so viel bedeute? Und warum lügst du mich an?»
    «Hör zu.» Er seufzte. «Es stimmt, ich habe mich mit ihr getroffen. Warte», unterbrach er sie, als Leonora einen empörten Schrei ausstieß, und fuhr dann fort: «Ich weiß schon lange von diesem Artikel über Corradino, wenn auch nicht von dir. Du hast mir ja damals nichts davon erzählt, wolltest mich nicht an deinen Gefühlen teilhaben lassen. Stattdessen versuchtest du mir weiszumachen, dass du dich für das Leben deines Vaters interessierst! Ich weiß genau, worum es dir geht. Nachdem Vittorias Artikel erschienen war, ging ich zu Roberto, um die Wahrheit zu erfahren. Aber offensichtlich hat er das Land verlassen und seine Geheimnisse mitgenommen. Blieb also nur Vittoria.» Er schaute Leonora direkt in die Augen. «Nachdem ich sie monatelang bekniet habe, mir zu sagen, was an den Vorwürfen dran ist, haben wir uns gestern Abend getroffen. Das erste und einzige Mal

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