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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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dieser obszönen und blasphemischen fleischfressenden Pflanze, die alles verschlingt, nur nicht meine kreolische Blume, meine süßeste Infektion. Und so ist, während sich alles reduziert und der Schlaf heraufzieht, mein Leib kreolisch, meine Hände sind kreolisch, und die Zunge und die geschlossenen Augen; meine Lungen sind kreolisch; und kreolisch ist die Luft, die sie still verarbeiten, und mein Herz, das die Luft verteilt, und die verborgenen Adern und die Organe sind kreolisch.
    Ich drehe mich auf die Seite und reibe meine Wange am Kissen. Mir ist nach Weinen, ich weine nicht.
    Dann halte ich inne, schlafe ein.
     
    Als ich wach werde, ist es noch dunkel. Ein Arm ist innen voller Nadeln. Ich setze mich auf und schüttele ihn, schlage ihn sanft auf den Oberschenkel, aber es tut weh, also reibe ich mit der anderen Hand darüber. Ich strecke mich wieder aus, schlafe aber nicht ein. Ich beuge mich zur Seite, sehe das Glas auf dem Stuhl und trinke
einen Schluck Wasser. Ich habe einen trockenen Mund. Strecke mich wieder auf dem Sofa aus, und durch die Schlitze des Rollladens betrachte ich Rom in kleinen Stücken.
    Ich weiß nichts über die Roten Brigaden. Das, was ich lese. Irgendetwas. Nichts. Ich weiß, dass man davon spricht. Sie haben mit dem Tod zu tun. Sie haben auch mit Sex zu tun, aber über die Roten Brigaden und Sex als zwei verbundene Dinge spricht man nicht. In diesen Tagen sehe ich im Fernsehen die Bilder aus der Via Fani - die Toten mit weißen Tüchern bedeckt, die Kommissare mit Schlaghosen, die Carabinieri in ihrer dunklen Uniform und das blendende Aufblitzen des Schulterriemens, der quer über ihre Brust läuft, wie sie zwischen den Patronenhülsen umhergehen oder auf dem Boden knien, um mit Kreide Begrenzungslinien zu zeichnen -, und ich habe ein Jucken, das meine Haut zerfrisst, und etwas im Bauch, das wirbelt und kratzt, eine strudelnde Vorahnung, die sich auf meiner Brust und in den Handflächen öffnet.
    Bald, mit dem ersten Licht, wird der Raum hier draußen, der jetzt voll und ungeordnet ist, feiner und geometrischer werden, er wird Linie und Perspektive werden, und in den Häusern wird, noch im Halbschlaf, irgendjemand den Arm nach dem Körper, der neben ihm schläft, ausstrecken. Im Morgengrauen des Märzes wird Rom sich an erhitzten Körpern entflammen, an einem Feuer aus Händen und aus Mündern, in lodernden Umarmungen und strahlendem Leuchten brennen die Brigadistenkörper, die jungen und glühenden Körper, von denen ich abstammen möchte, und auch in diesem Zimmer hier ist ein Brand, in der Mitte meines Körpers, wo die kreolische Liebe brennt, und die Süße dieses zweiten Morgengrauens meines Lebens - und danach noch ein anderer Traum, das erneute Erwachen, ich hebe die Decke an, und in der klaren und aufsteigenden Luft des Morgens sehe ich unten an meinem Körper, an der Spitze der Eichel - der Geist, der Geist -, ein Tröpfchen aus Licht.

Der Mittelpunkt der Erde
    18. April 1978
    Über das kreolische Mädchen weiß ich nichts. Ich bin mir dessen bewusst, das ist mit Absicht so. Ich kenne ihren Namen nicht und weiß nicht, wie alt sie ist. So alt wie ich, wenn ich dem Augenschein glaube, auch wenn man bei ihr dem Auge nicht trauen kann, es ist unzureichend, genau wie das Ohr. Aber es gibt doch etwas, das ich weiß. Ich weiß, dass sie seit September in der Schule ist, dass ihre Haut dunkler als meine ist - ein Schmelz, ein Honig, ein altes Öl. Ich weiß, dass sie schwarze, manchmal blaue Haare hat, mit Dämonen drin. Ich weiß nicht, in welche Schule sie früher gegangen ist, wo sie gelebt hat. Ich weiß nicht, ob sie Italienerin ist, ich weiß nicht, welche Sprache sie spricht, ich habe sie nie sprechen hören, ich kenne ihre Stimme nicht. Morgens, wenn die Schule beginnt, oder mittags, wenn sie aus ist, schaue ich das Auto an, das sie bringt und wieder abholt, versuche zu erkennen, wer darin sitzt, ihre Eltern?, aber ich sehe nichts. Ich sehe sie nicht, wie ich auch nie die anderen Eltern sehe, die dennoch existieren, sie sind präsent und überall, und trotzdem vage, nicht wahrnehmbar. Ich sehe nur eine Wagentür, die sich öffnet, ihre dunkle Hand, die auftaucht, ein Winken, den Kopf, wie er sich klar und vollkommen abzeichnet, ihren Körper, der sich im Raum herausbildet, die Wagentür, die sich wieder schließt, sie, die sich umwendet und auf das Tor zugeht, und ich neben dem Tor, während ihre Schritte, einer nach dem anderen, in meinem Bauch dröhnen, wenn sie näher

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