Die Glasfresser
wieder, rücke aber unmerklich den Stuhl vor und bewege ihn auf den Fernseher zu. Da sind die kleinen Sketche, die Witze. Da ist Enzo Liberti. Er hat eine vorstehende Unterlippe, ein vorspringendes Kinn. Er ist untersetzt, sein Körper riecht nach Drogerie, nach Arznei. Es ist ein lebhafter, doch milder, ehrlicher Geruch. Weiß und rosa. Keusch. Das Gegenteil zu Gianni Agus in seiner Rolle als Chef von Fracchia. Zu seinem weißen Mund, dem perfekten Haar. Wenn ich ihn schnüffle, rieche ich immer die Appretur auf dem dunklen Sakko. Wie das Rasierwasser ins Gewebe eindringt, haften bleibt und langsam ausdunstet. Den Geruch der Würde, zweideutig und tief.
Während des Balletts sage ich, dass ich von meinem Platz aus nicht gut sehe, und trage den Stuhl auf anderthalb Meter an den Fernseher heran, an die Seite, um nicht zu stören. Ich nehme die Schweißkrater der Tänzerinnen wahr, die sich an verschiedenen Stellen des Bildschirms öffnen, schließe die Augen und rieche die in kleinen Korollen erblühenden Körpergerüche, die in der Nase und im Kopf ausbrechen. Das Ballett ist zu Ende, und Sandra Mondaini kommt zurück. Sie trägt eine Bluse und helle weite Pluderhosen.
»Habt ihr gesehen, dass die Mondaini direkt unter der Nase ein Muttermal hat?«, frage ich, stehe auf und gehe noch näher an den Fernseher heran.
Vom Sofa keine Antwort, nur ein Zeichen der Schnur, dass ich da weggehen soll.
»Habt ihr das wirklich nicht gemerkt?«, frage ich nervös nach, zeige auf irgendetwas in der Nahaufnahme von Sandra Mondaini, klebe mit dem Gesicht am Bildschirm: Ich habe gerade mal genug Zeit, den Geruch eines schlanken und leichten Körpers einzuatmen, gut entwässert und gelüftet, verdorben nur durch einen Hauch von Parfüm; dann sagt die Schnur laut zu mir, dass ich damit aufhören und nicht stören soll, dass ich zu Besuch bin, und da drehe ich mich um, entschuldige mich und setze mich wieder hin.
Die Sendung ist zu Ende, man geht schlafen. Die Schnur, der Stein und der Lappen im Gästezimmer, wo man zu einem Doppelbett noch eine Liege gestellt hat; ich im Wohnzimmer, auf dem mit Bettlaken und Decken hergerichteten Cordsofa. Die Schnur gibt mir ein Glas Wasser, nimmt eine Tischlampe und stellt sie auf einen Stuhl neben das Sofa. Sie macht sie an und löscht das große Licht. Dann sagt sie irgendetwas zu mir - vernünftige Dinge, damit ich mich fühle, als wäre alles in Ordnung - und geht.
Ich bin allein, ziehe mich aus, schlüpfe in den Schlafanzug und lege mich ins Bett. Die Sofakissen, die hart wie Stein aussahen, sind weich, sie geben nach, ich sinke ein. Ich stehe wieder auf, ziehe den Rollladen ein bisschen hoch, gehe zurück ins Bett und mache die Tischlampe aus. Von der Straße her dringt das Licht der Laternen ins Zimmer. Ich schiebe die Decken weg, horche auf die Geräusche des Hauses. Irgendwo ein Tropfen, ein kurzes Knistern. Dann ziehe ich mich aus und mache still den Epileptiker, verbiege mich, verkrampfe mich, verwandle mich für einige Minuten in eine Eruption harmonisch unkoordinierter Bewegungen. Als ich den keuchenden Atem und den Schweiß auf der Brust und auf der Stirn spüre, lasse ich nach und bleibe so, erschöpft, die Augen offen, die Arme zitternd, denke zurück an ein paar Abende zuvor, als ich nach der Bibellesung im dunklen Zimmer in meine tägliche Rekonstruktion der Spasmen vertieft war, in ihre Katalogisierung, und plötzlich ein Knarren hörte, die Luft bewegte sich
über mir, und ich hielt augenblicklich inne, ohne zu atmen, nackt und verschwitzt, machte das Licht auf dem Nachttisch an, und da war der Lappen, der mich anschaute. Ich musste ihn aufgeweckt haben, und er war aus seinem Bett gestiegen, um nachzusehen, was los war, doch er tat nichts, fragte nichts, betrachtete meinen verkrampften Körper auf den Betttüchern, meinen grotesken Körper, der die Infektion erflehte; er blieb noch eine Weile, den Kopf zur Seite geneigt. Dann, ohne ein Wort zu sagen, ging er wieder in sein Bett und ließ mich in meiner ganzen Lächerlichkeit zurück.
Inzwischen muss irgendwo in der Wohnung jemand aufgestanden sein, um ins Bad zu gehen, ich höre schleifende Lederpantoffeln, ein leises Klatschen auf dem Fußboden. Ich warte, bis wieder Stille einkehrt, die häusliche Maschinerie endgültig zur Ruhe gekommen ist.
Jetzt, denke ich.
Und ich versenke mich in das Bild des kreolischen Mädchens, eine Pause in der Zerstörung, außerhalb der Pornowelt, die in meinem Kopf lebendig ist, außerhalb
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