Die Glasfresser
erkennen. Bei jedem Schritt verschwindet sie fast. Sie setzt sich neben den schnurrbärtigen Mann; sie sieht ihn an, sieht den Penis in seinen Händen an, dreht sich zur Werwolffrau hin, betrachtet die kannibalische Mechanik der Penetration, wie die durchbohrte Frau verschlingt, was der blonde Mann ihr beeindruckend darbietet, der blonde Mann, der aufhört, sich umdreht, sie beäugt, aufsteht - der Penis schlenkert zwischen seinen Beinen -, sich ihr nähert, sie beim Arm fasst, sie zum Bett schleppt, sie auf den Körper der Frau presst, die sich ungeheuer ausdehnt. Der blonde Mann drückt auf die Brust des Mädchens, versenkt sie im Körper der Werwolffrau, lässt sie in ihren Treibsand einsinken, bis das kreolische Mädchen verschwindet, und da, wo sie war, sehe ich nur noch ein glitzerndes Licht.
Unterdessen hat der Zug die monotonen Vorstädte hinter sich gebracht, ist langsamer geworden, die Landschaft dunkel und undurchschaubar. Der Zug drosselt seine Geschwindigkeit noch mehr und fährt in Roma Termini ein. Die Schnur und der Stein stehen auf, beginnen das Gepäck zusammenzustellen; der Lappen schläft weiter, eine Backe auf den Ellbogen gedrückt und verformt, die leere Schale der Brotkruste auf den Sitz gerutscht. Ich trete zur Seite, das Heftchen in den Händen, unfähig, es zurückzulassen, auch weil die Schnur und der Stein nicht darauf achten, es für meinen Alan Ford halten. Ich schaffe es, die Jacke anzuziehen, dabei das Heftchen von der einen in die andere Hand wandern zu lassen und es immer mit dem Körper zu verdecken. Dann postiere ich mich hinten im Abteil, allen den Rücken zugewandt, und lese weiter. Ich bin versunken, ich bin ein fleißiger Mönch. Eifersüchtig
auf seinen Glauben bedacht, mit seiner Religion geizend. Einer, der den Rücken zuwendet, der sich in seine Ecke zurückzieht und die anderen vergisst. Mit diesem Gefühl absorbiere ich die Scherze, die Bewegungen, die Übergriffe, die Grimassen.
Jetzt stehen die Koffer im Ausgang des Abteils, man spürt ein Rucken, einen Rückstoß, und der Zug hält. Man macht sich auf den Weg, und ich schließe mich an, das Heftchen in der Faust. Ich habe es eng zusammengerollt, und wie ich einen Fuß vor den anderen setze, fühle ich, dass es sich in meiner Hand krümmt, sich windend kommen die gezeichneten Körper einander näher, überlagern sich, versinken ineinander, hoffnungslos vollkommen und deformiert. Das Heftchen ist wie mein Penis, wenn ich ihn in der Hand habe - mein obsessiver, literarischer und narrativer Penis -, die Lampe, die den Geist enthält, die ich reibe und mit Fantasie befrage, die ich bitte, alle meine Wünsche zu erhören, alle meine Ängste. Der Geist kommt manchmal heraus, tritt winzig klein ans Tageslicht, flüssig, macht mir schlechte Gefühle - der Albtraum von kaputten und verflüssigten Organen, die aus den Löchern fliehen.
Aus den Fenstern auf dem Gang nehme ich die ersten Anzeichen der gierigen Stadt wahr, die seit Monaten in den Zeitungen und im Fernsehen explodiert, nehme die Stadt wahr, die von Körpern wimmelt, die schönen Körper der Rotbrigadisten, den Glanz des Märzes, der in seinem wütenden Licht den Mann und die Frau aus dem Zug erstrahlen lässt, meine neuen Eltern, ihre schnellen Schritte zwischen den Verstecken, fieberhaft bei der Verbreitung von Flugblättern im Untergrund, das ständige Kribbeln auf der Haut, den ruppigen Sex in Feldbetten, das animalische Treiben, dieses ganze tragische Rom in der Sonne.
Ich erreiche das Ende des Gangs, das Heftchen noch in der Hand, die Körper auf den Seiten erschöpft von den ewigen reglosen Samenergüssen, die Gesichter der Brigadistinnen ganz weiß, die Münder voller Brigadistensamen - bitter und befruchtend, ideologisch und glorreich -, die mütterlichen Augen, die voller Zärtlichkeit zusehen, wenn die Männer sterben. Während der Stein und die Schnur sich beim Aussteigen über das Gepäck beugen,
lasse ich das Heftchen auf das Linoleum fallen, gehe die Stufen hinunter, setze einen Fuß auf den Boden der Stadt Rom und entferne mich mit den Händen in den Taschen, die Fingerspitzen in die Handflächen gebohrt. Auf dem Weg zu dem gelben Taxi halte ich den Blick gesenkt, die Stirn gerunzelt, und ich spüre, wie das Maul der Welt mich im Genick packt und ganz sachte schüttelt, ironisch. Dann, während der Stein dem Fahrer das Gepäck gibt und dieser es im Kofferraum verstaut, schraube ich die Feldflasche auf und nehme viele hastige Schlucke, die meine
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