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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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Kralle an, dann die anderen Hunde. Die Wut tritt im heftigen, schweren, rhythmisch abgehackten Atmen, das seinen Brustkorb erschüttert, aus seinem Fell heraus. Erneut schaut der Hund die widerliche Taube an, hält seine Wut noch etwas zurück, fährt dann plötzlich auf, stürzt sich auf sie, hebt sie hoch, schüttelt wie rasend den Kopf und beginnt sie zu zerfleischen, ihre fächerförmig ausgebreiteten Flügel hängen aus seinem Maul heraus.
    Wir entfernen uns; wir gehen in die Via della Loggia, dann in die Via Terra delle Mosche und setzen uns auf den Rand des Brunnens auf der Piazzetta Garraffello, ins Zentrum einer paläolithischen Krippe.
    Der Brunnen ist aus Marmor. Er wird mit Chlorbleiche gereinigt, man riecht es, und das Weiß ist verätzt. Scarmiglia erzählt, dass er vor Kurzem mit seinem Bruder hier war, um Tintenfisch zu kaufen, und während sie am Stand die Tentakel abschnitten, kam aus dem Halbdunkel eines Elendsquartiers die Schildkrötenfrau hervor, kroch auf allen vieren über den Boden, auf dem Rücken einen Panzer von mindestens einem Meter Durchmesser, schwarzgrün und schleimig. Die Leute auf dem Markt haben sich nicht um sie gekümmert. Ein Mann hat sich zu ihr hinuntergebeugt und ihr einen Fetzen rohes Fleisch gegeben, den sie ein bisschen herumgetragen hat, wobei er ihr aus dem Mund heraushing; dann ist sie stehen geblieben und hat angefangen zu kauen.
    Jetzt regnet es wirklich. Es gießt in Strömen, der Regen peitscht durch die Straßen. Wir beeilen uns, um zur Bushaltestelle in der Via Roma zu kommen, schmutziges Wasser von der Fahrbahn
spritzt uns nass. Wir erreichen den Unterstand. Bocca bemerkt, dass auf der anderen Straßenseite der tote Hund liegt. Er ist verkohlt, noch immer steigt Rauch von ihm auf, und ein paar Flammen, die der Regen löscht.
    Wir klettern in den Bus. Noch mehr Gesichter, zwischen den grauen Metallröhren und den honigfarbenen Holzsitzen voller mit Schlüsseln eingeritzter Inschriften. Wir gehen bis nach hinten. Ich stelle mich an das Fenster, das oben nicht ganz geschlossen ist, hole Luft. Die Via Roma ist eine Pflasterstraße, der Bus hat keine Stoßdämpfer und rumpelt darüber. Der Regen wird noch stärker; im Bus hält sich einer am anderen fest, in einer irrealen Solidarität. Ich bewahre das Gleichgewicht, indem ich mich mit verschränkten Armen und der Brust gegen das Fenster lehne, wobei ich das Wasser aus meinen Kleidern presse. An den Haltestellen steigen noch mehr Leute ein, ich muss weiterrücken, aber ich will die Stange nicht anfassen. Ich klemme mich in eine Ecke, es hilft nichts, wieder steigen Leute ein, schieben mich weiter, und da umfasse ich die Stange, fest und mit Widerwillen. Um mich abzulenken und die Gerüche und Stimmen und meine Hand nicht wahrzunehmen, schaue ich hinaus auf die nasse Straße, die riesigen Pfützen, die doppelten schwarzen Schlitze der Kanaldeckel mit dem gurgelnden Abwasser, das schwarze Wasser, das die Höfe und Elendsquartiere überschwemmt, die Marktstände, die Gassen, das Stück Leber überflutet.
    Als ich mich in der Via Sciuti, zweihundert Meter von zu Hause, von den anderen verabschiede und aussteige, regnet es noch heftig, und ich lege das letzte Stück Weg laufend zurück. Im Hauseingang geht mein Atem schwer, meine Kleider sind triefend nass und verschlammt, die Haare kleben an der Stirn. Ich gehe zu Fuß nach oben und schnüffele an meiner Hand. Ich rieche einen süßlichen und kalten Geruch, die Synthese aller Hände, die im Laufe des Tages die Metallstange im Bus angefasst haben, die Summe ihrer Gerüche. Als ich mich umziehe, weiß ich, dass es der Geruch ist, den meine Hände immer haben. Doch die anderen sind die Infektion, die ich zurückweise, die mir fehlt.

     
    Am Abend sitze ich in der Küche. Allein, auf meinem Platz am Tischende. Die Ellbogen aufgestützt, die Fäuste an den Schläfen. Ich bin müde, spüre noch den Ausflug in den Beinen und den Füßen, vom Regen habe ich Kopfweh.
    Der Tisch ist noch gedeckt. Die Schnur steht in der Tür. Sie schaut mich mit verschränkten Armen an. Vor mir ist der Teller mit Stracciatella. Ein Sumpf. Eine Tragödie aus geschlagenem Ei, leimigem Öl, sterbendem Kalb. Das Gefühl von leichtem Kratzen an den Magenwänden. Das Licht der Deckenlampe über mir fällt in die Suppe: Ich esse nicht und sitze deprimiert in dem Lichtschein.
    Auf der anderen Seite des Tisches, auf dem Geschirrspüler, steht der tragbare Fernseher. Weißer Lack, die Kanten abgerundet,

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