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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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Passarella spürt man Wut. Bei allem, was er unternimmt. Wenn er auf ruppige Art die Verteidigung organisiert und den Mund aufreißt, um die anderen niederzumachen, wenn er über die Mittellinie geht, mit seinem vorgestreckten Brustkorb, der wie ein spitzer Schnabel alles zerfetzt und zerreißt - hinter ihm Osvaldo Ardiles, mit Brillantine im Haar und der wehmütigen Melancholie eines Tangosängers, der noch leichter als alle anderen zu fallen scheint -, oder wenn er vor der gegnerischen Hälfte gefoult wird und auf dem Boden ein
Gebrüll loslässt und brutal die Hand von jedem wegstößt, der ihm beim Aufstehen helfen will, und dann allein aufsteht, gekränkt angesichts des Nichtwiedergutzumachenden, und ohne seine Wut zu mäßigen, einen Freistoß ausführt, der wie eine Beleidigung ist, einen Ball mit einer steilen, die anderen beschämenden Bahn, der vor allem dazu dient, sich für das erlittene Unrecht zu rächen, und normalerweise auch ins Tor geht.
    Holland ist heute schwach, wirkt verloren. Es ist eine Mannschaft, die sich in ihrem Übermaß an Wissen auflöst, die angesichts einer gegnerischen Mannschaft, die sich wie eine wilde Horde aufführt, sich selbst und jedes logische Prinzip vergisst, die sich duckt, sich zusammenkauert und dann verschwindet.
    Am Ende der ersten Halbzeit schießt Kempes ein Tor für Argentinien; am Ende der zweiten gleicht Holland aus, aber das scheint ein Zufall. Wir trinken unser Sprudelwasser und halten abwechselnd den Kopf an den Ventilator, der auf Höchststufe läuft, um die Kühle in uns aufzunehmen; dann setzen wir uns wieder auf die Stühle und lassen die Luft in die Lungen eindringen.
    In der Verlängerung schießt Kempes ein weiteres Tor, dann Bertoni noch eins. Zum Schluss wird Passarella von seinen Mannschaftskameraden auf den Schultern über den mit zitternd-flatternden Papierchen bedeckten Platz getragen.
    Schlecht gelaunt wischen wir uns den Schweiß ab, nehmen den Ball und gehen vors Haus, um uns auszutoben. In dem Sinne, dass wir uns einmal erlauben, nicht nach den Regeln zu trainieren, sondern einfach nur zu spielen.
    Trotz seiner Massigkeit ist Bocca ein guter Torwart. Er hat ein gutes Stellungsspiel und ist ziemlich gewandt beim Sprung. Wenn wir in die Ecken schießen, wirft er sich hin, streckt sich und hält. Bei seinem Spiel geht es vor allem darum, etwas zu beweisen und sich zu bestätigen: Durch seinen Kampfgeist will er uns zeigen, dass er auf Draht ist. Dass er etwas kann. Einmal, nach einem beeindruckenden Sprung, steht er wieder auf und hat an der Seite, unter dem Trikot, ein blutendes Loch; er ist auf einen spitzen Stein gefallen: Er berührt das Blut, schaut es an und ist glücklich.

    Scarmiglia spielt, wie er lebt. Nüchtern im Lauf biegt er, wenn er schneller wird, den Daumen in die Handfläche und presst die anderen Finger zusammen, um ein gleichschenkliges Dreieck zu bilden. Wenn er die Luft durchschneidet, glaubt man den Sog zu spüren. Beim Dribbeln ist er konkret, hat eine Vorstellung davon, was er tun muss. In den letzten Wochen musste er sich zwischen den Erfordernissen der Disziplin und seinem natürlichen Hang zum Ornament entscheiden. Über die Zeichnung einer wunderschönen Blume hat er das unerbittliche Raster des Millimeterpapiers gelegt.
    Ich dagegen laufe, als wäre die Welt mit Moos bedeckt. Der Fuß versinkt, dringt ein und gibt nach. Nach jeder Aktion krümme ich mich zusammen, um mit den Händen auf den Knien und offenem Mund Luft zu holen: Nicht weil ich etwas an der Lunge hätte oder wegen geringer körperlicher Leistungsfähigkeit, sondern weil meine Stimmung den Körper so beeinflusst. Ich beherrsche ein ausgefeiltes Dribbling, aber wenn es mir zwei- oder dreimal nicht gelingt, haftet das Moos an meinen Beinen und Lungen, und jeder Schuss ist eine Niederlage.
    Wir bewegen uns in der Luft des frühen Abends, blass flimmerndes Licht auf den Fassaden der Häuser, das Miauen von Katzen und das Heulen von Sirenen in der Ferne. Als ich den Blick hoch zum Balkon des Hauses wende, sehe ich dort oben den Lappen stehen und uns zuschauen. Gerade einmal sein Kopf und die Schulterlinie ragen über die Mauer hinaus; er hat irgendetwas in der Hand, das er zum Mund führt, aber ich kann nicht erkennen, was.
    Der Lappen spielt nicht mit uns. Von Natur aus ist er nicht kämpferisch, und außerdem spielt er nicht gut. Ich gebe ihm trotzdem ein Zeichen, dass er herunterkommen soll. Er verschwindet vom Balkon und ist nach zwei Minuten da. Er isst

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