Die Glasfresser
Schnur löscht das Licht und während ich in den ersten Halbschlaf gleite, sitzt auf einem Fels in der Wüste Hesekiel, der Doktor Bibber spielt, und er ist sehr geschickt, bewegt die Pinzette, ohne dass die Nase je Alarm schlägt, nimmt die Knochen, legt einen an den anderen, die Knochen verbinden sich, und auf den Knochen bilden sich die Nerven und dann das Fleisch, und jetzt sitzt Scarmiglia neben Hesekiel, auch er spielt Doktor Bibber, doch an der Stelle des Kranken bin ich da, mein Körper voller Schnitte, Scarmiglia steckt die Pinzette hinein und zieht alle meine Knochen heraus, bis ich leer bin, und dann, als die Wirkung des Schmerzmittels nachlässt und der Schmerz in den Halbschlaf eindringt, ist vor mir das kreolische Mädchen, in Weiß gekleidet, und schiebt mir eine Hand in die Brust, dringt in den Brustkorb aus Stacheldraht ein, wühlt darin herum und zieht, ohne sich zu schneiden, den Wunschknochen heraus, weiß, glatt und sauber, schließt dann die Hand und schiebt ihn sich in die Brust, und in diesem Augenblick drehe ich mich auf die Seite und muss vor Schmerz weinen und lachen und bin atemlos.
Kommunizieren
14./15./16./17. Juli 1978
Seit dem 1. Juli sind wir in Mondello, zehn Kilometer von Palermo entfernt, in einer Wohnung im Erdgeschoss, direkt an der Straße, dem Viale Galatea. Über der Straße und über dem Haus und überall sind Platanen. Sie werfen Schatten auf den Asphalt: mit ihrem Dickicht aus Ästen und Zweigen, den dreilappigen Blättern, die das Licht in ihrem grünen Gewölbe absorbieren, bis sie es tropfenweise ausscheiden und in schillernden Punkten auf die Autodächer fallen lassen.
Eines Nachmittags, ungefähr um drei, sind wir bei brütender Hitze alle im Haus. Ich liege auf dem Bett und lese, massiere mir mit zwei Fingern die Brust. Von draußen höre ich Lärm, stehe auf, um nachzusehen. Ich gehe nicht hinaus, schaue durch die Fensterläden. Zwei Jungen klettern gerade über das Tor, von innen, und nehmen mein Fahrrad mit. Ich beobachte sie, atemlos, unbeweglich, ich bewundere sie und verachte sie. Als sie auf der anderen Seite des Tors sind, kommt der Stein, macht die Läden auf, schreit, nimmt die Schlüssel, geht auf die Straße hinaus, läuft herum, aber da ist keiner mehr. Er fragt mich, wieso ich nicht gerufen habe, ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll. Die Schnur taucht auf, auch sie fragt, und wieder kann ich es nicht erklären, also beginne ich ein ausgedehntes gereiztes Jammern. Die Schnur schaut mich enttäuscht an, wie immer, auch wenn sie sich in diesen Tagen Mühe gibt, auf mein körperliches Wohlergehen zu achten, ohne wahrzunehmen, wie sie mir damit auf die Nerven geht. Es stimmt zwar, dass ich ihren Versorgungstrieb fördere, indem ich den schwachen Rekonvaleszenten spiele, der
auf einem kleinen Hustenanfall unendliche Qualen aufbaut, doch es stimmt genauso, dass ich ihn nicht als natürlich betrachten kann. Also bin ich ablehnend, zurückweisend. Sie merkt es und geht weg: Eine Minute später höre ich sie in der Küche wirtschaften, die Pfannen, die Schüsseln, das Sprudeln von Idrolitina in der Flasche, die Ohnmacht der Gefühle, die verschwindet, wenn man sich zu schaffen macht.
Am Vormittag gehen wir ans Meer. Die Schnur, der Lappen und ich; der Stein kommt später mit der Zeitung nach. Mir graut vor dieser unverwüstlichen althergebrachten familiären Ordnung. Die Tradition, die von sich selbst nichts weiß, verfestigt Formen und Prozeduren, indem sie die intimsten Abläufe definiert: wie es im Wohnzimmer zugeht, die Plätze bei Tisch, das Verhalten, den Rhythmus der Schritte, wenn man am Samstagnachmittag einkauft. Den Badezimmervorhang mit Blumenmotiven, die Haare von allen vieren, die sich in einem Klumpen im Abfluss sammeln.
Am Meer gibt es eine himmelblaue Kabine mit rotem abfallendem Dach. Wir teilen sie uns mit anderen Familien. Wenn ich ankomme, laufe ich mit bloßen Füßen über die mit nassem Sand bedeckten Holzstege, betrachte die Formen der Spuren darauf. In der Kabine ziehe ich mich um, lehne mich dabei an die Wand, im kühlen Halbschatten zwischen Tauchermasken und geschlossenen Sonnenschirmen, die wie riesige schlafende Fledermäuse aussehen, die bunten Flügel um die Körper gefaltet; es hängen auch Badeanzüge zum Trocknen da. Bevor ich die Kabine verlasse, gehe ich näher heran und schnuppere an ihnen: Man riecht nichts, ein allgemeiner Salzgeruch deckt alles zu.
Ein paar Tage lang darf ich nicht schwimmen, also setze ich
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