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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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wahrnehmen. So ist Morana. Seine Vernichtung hat kein Ende. In seinem Leben wird nie etwas sein. Nie ein Gedankengang, nie eine Intuition. Rein gar nichts. Und doch ist er da, ist immer noch da.
    »Wie geht’s dir?«, fragt Bocca. Er wendet sich an ihn wie die wenigen Male, wenn wir in der Schule aus Verlegenheit oder Mitleid mit ihm reden - wenn man mit so jemandem redet, muss man ihm in die Augen sehen und deutlich artikulieren. Scarmiglia schaut ihn an und lächelt, während ich mir die Muttermale, die schmutzigen und matten Flecken, auf seinem Rücken ansehe. Ich sage mir, dass er sich schlecht ernährt, dass sie ihn schlecht ernähren. Dann sage ich mir, dass ich Morana brauche, und setze mich zwischen Bocca und Scarmiglia.
    »Wie geht’s dir?«, wiederholt Bocca.
    Er antwortet nicht. Mit den Fingern im Sand gräbt er weiter irgendetwas ein, ohne den Kopf zu heben.

    Morana wird in der Schule gesondert abgehört. In der Pause oder nach der letzten Stunde, wenn sonst niemand da ist. Das hat nichts mit Schamgefühl zu tun - Scham kennt er nicht -, sondern mit seiner Langsamkeit: Die Klasse soll nicht durch seine Art zu sprechen aufgehalten werden, bei der er aus einem irgendwie mit Italienisch gemischten Dialekt Wörter erzeugt, die wie Werwölfe sind, für einen Augenblick herauskommen und es eilig haben, sich irgendwo zu verstecken.
    Bocca gibt nicht auf.
    »Hast du schon die Ferienaufgaben gemacht?«
    Von der anderen Seite nichts: eine Hand, die im Sand wühlt, die andere liegt ruhig auf einem Schenkel. Ich sehe mir die Form seines Geschlechts in der Badehose an: Es scheint groß zu sein, man sieht, wie es sich abzeichnet, doch es wirkt ebenfalls träge, wie eine krankhafte Schwellung.
    Dann eine Kopfbewegung.
    »Ja, gemacht.«
    »Alle?«
    Eine Pause. Die Kräfte sammeln.
    »Alle.«
    »Bravo, Morana«, fährt Bocca fort. »Ich muss sie noch machen. Die beiden auch. Aber es ist ja noch Zeit.«
    Bocca schaut uns an, er will, dass wir uns beteiligen. Aber ich sehe nicht ein, warum. Ich habe Morana nichts zu sagen. Vor allem will ich ihn nichts sagen hören.
    »Kommst du oft hierher?«, fragt Bocca und neigt den Kopf, um ihm von unten nach oben in die Augen zu sehen. Scarmiglia verliert langsam die Geduld. Morana nimmt es wahr, es ängstigt ihn.
    »Nein.«
    »Und wann kommst du her?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Wie kannst du das nicht wissen? Wie kannst du etwas, das du tust, nicht wissen? Das musst du doch einfach wissen.«
    »Ich weiß nicht.«

    »In Ordnung, Morana, du weißt es nicht. Aber kannst du mir wenigstens sagen, wie du herkommst?«
    »Mit dem Bus.«
    An diesem Punkt springt Scarmiglia auf und fängt an, mit einem Bein wiederholt nach hinten auszutreten. Er nimmt wieder eine normale Stellung ein, macht dann aber sofort das Känguru und hüpft drei-, viermal auf der Stelle, die Arme nach vorn gestreckt. Dann hört er auf und sieht uns an.
    »Nein, wir bleiben noch«, sagt Bocca.
    »Nicht so«, sagt Scarmiglia.
    »Du hast recht«, sagt Bocca. Er lehnt den Kopf gegen die rechte Hand, den linken Arm vor dem Körper. Die Stellung Baglioni : ›aufhören‹, ›denken‹.
    Erneut fangen die Leute um uns herum an zu reden und uns zu beobachten. Auch Morana hat den Kopf gehoben. Ich lächle ihn an, bin zufrieden. Dann stehe ich auf, breite die Arme aus und bleibe ein paar Sekunden lang still so stehen. Ich weiß, es ist nicht ganz eindeutig, unsere Sprache ist noch nicht verfeinert, aber ich will sagen: ›lassen‹, im Sinne von ›sein lassen‹.
    Wir setzen uns wieder um Morana herum.
    »Wir sind müde«, sagt Bocca zu ihm. »Weißt du, wir sind schon den ganzen Tag lang dabei, etwas zu erfinden. Es ist schwer, dir zu erklären, was wir tun, doch es ist etwas sehr Schönes.«
    »Morana«, schaltet sich Scarmiglia ein und kniet sich hin, streckt den mageren Körper. »Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Mir ist nicht danach, die beiden darum zu bitten«, sagt er und zeigt auf Bocca und mich, »und auch sonst keinen anderen. Es ist etwas, um das ich nur dich bitten kann.«
    Er geht mit dem Kopf bis auf wenige Zentimeter an Moranas Gesicht heran, wird wieder theatralisch.
    »Darf ich?«, fragt er.
    Morana reibt den Sand zwischen seinen Fingerspitzen, versucht die Körner kleiner zu machen, als sie schon sind. Dann nickt er.
    »Gut, danke für deine Bereitschaft. Und für dein Vertrauen. Der Gefallen, um den ich dich bitte, ist dieser: Ich möchte, dass
du mir zwei Wörter sagst. Die ersten, die dir

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