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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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einfallen, ohne allzu lange darüber nachzudenken. Jedes Wort - Substantive, Adjektive, Verben, Adverbien -, was du willst.«
    Bocca und ich verstehen nicht. Scarmiglia lächelt uns zu.
    »Also, Morana, sag mir diese beiden Wörter.«
    Die Stille beginnt genau in dem Moment, da Scarmiglias Frage endet, und zieht sich dann hin, langsam, ein Tunnel, bis Morana, vielleicht, irgendetwas antwortet. Für den Augenblick beschränkt er sich darauf, die Luft zwischen den Fingern zu zerreiben, die Augen zwischen Bocca, Scarmiglia und mir hin und her und wieder zurück zu bewegen, um dann zuerst regelmäßig und schließlich aufs Geratewohl wie ein kaputtes Metronom mit dem Kopf zu schlagen und uns mit seinem abstoßenden Gesicht anzuflehen, ihn zu schonen, so weiterzumachen, wie wir es ein ganzes Jahr lang gemacht haben, nämlich ihn zu schonen und, wenn auch mit Widerwillen, seine verkrusteten Lippen und schmutzigen Haare zu respektieren. Doch unser Respekt sieht jetzt so aus: belagern, bedrängen, zwingen; Morana auf den Leib rücken, um zu sehen, wann er platzt.
    Doch Morana platzt nicht.
    »Ich … du …«, sagt er sehr leise.
    Damit scheint ein Satz beginnen zu können, doch es beginnt nichts und wir haben keine Explosion in den Ohren, sondern zwei zerriebene Pronomen, das Geräusch, das der Sand zwischen seinen Fingern macht.
    »Danke«, sagt Scarmiglia, steht auf und klopft sich den Sand von den Knien. »Du weißt es nicht, doch du hast uns sehr geholfen. Aber jetzt müssen wir uns verabschieden, der Bus geht gleich.«
    Auch Bocca und ich stehen auf, sagen Ciao. Er antwortet nicht, er ist erschöpft. Scarmiglia und Bocca machen sich auf den Weg, ich bleibe noch einen Augenblick da. Ich möchte etwas zu ihm sagen, aber nicht aus Verständnis oder aus Solidarität. Das wäre mir zuwider, Solidarität. Ich möchte etwas zu ihm sagen, weil ich das Bedürfnis habe, aus seinem Körper eine Reaktion herauszuholen, zu verstehen, wie er in diesem dauernden Martyrium
existieren kann, Opfer ohne Opfergefühl. Aber auch davon kann ich ihm nichts mitteilen, und wie bei unserer Ankunft betrachte ich wieder seinen krummen Rücken und die feinen Haare, und er bewegt sich noch immer nicht, macht irgendetwas mit den Händen im Schoß, steckt immer wieder die Finger in den Sand und zieht sie dann heraus. Da recke ich mich über seinen Kopf, sehe, dass das, was er aus dem Sand gezogen hat, eine Maulbeere ist; er schnuppert daran, isst sie.
    Als ich zu den anderen komme, diskutieren sie lebhaft. Bocca hat eine Erklärung verlangt.
    »Wir brauchten noch zwei Wörter«, antwortet ihm Scarmiglia, »und da ist mir eingefallen, sie Morana zu überlassen. Oder besser: dem Zufall, der euch so gefällt. Ihr solltet zufrieden sein.«
    »Darum geht es nicht«, erwidert Bocca. »Es ist eine Frage der Methode: Du hast allein für alle entschieden, und das ist nicht richtig. Sag du es ihm auch«, fordert er mich auf.
    »Für mich ist das in Ordnung«, sage ich. » Ich und du sind Wörter, die wir gebrauchen können. Wir müssen nur noch entscheiden, mit welchen Stellungen wir sie verbinden.«
    Bocca ist verärgert. Er hatte auf meine Unterstützung gezählt und steht stattdessen wieder allein da.
    »Ehrlich gesagt haben wir die Stellungen auch schon«, sagt Scarmiglia. »Denkt dran, was Morana bei unserem Gespräch getan hat.«
    Ich reibe die Fingerspitzen gegeneinander. Bocca wartet ein paar Sekunden, um zu zeigen, dass er es akzeptiert, und fängt dann an, mit dem Kopf hin- und herzuschlagen. Auf dem Weg zur Kabine beschließen wir, dass dieses Fingerreiben dem Wort ›Ich‹ entsprechen soll, während das Hin- und Herschlagen des Kopfes dazu dient, ›Du‹ zu sagen.

    Bocca geht zu Fuß nach Hause, ich begleite Scarmiglia zur Bushaltestelle. Wir reden über unsere Fortschritte, über den Grund, warum wir all dies tun. Über die Logik und die Unvermeidlichkeit.
    Wir kommen an einem Lager vorbei, das als Spielhalle genutzt wird. Draußen sind ein großes Bassin mit Plastikbooten und ein Mann mit einer Stange, der sie von der Mitte an den Rand schiebt; drinnen gibt es Tischfußball, Space Invaders, Pong. Scarmiglia schlägt eine Partie vor, er nimmt einen späteren Bus. Der Raum ist kühl, nur wenige Leute sind da. Dialektjungen, die verbissen flippern, ein paar Alte in kurzen Hosen und Unterhemd, die auf die hellen Bildschirme starren, ganze Hundemeuten, die unter den Pingpongtischen liegen. Außerdem gibt es noch zwei Mädchen, wenig älter als wir,

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