Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
Vom Netzwerk:
darstellen, die schon an sich baufällig ist (es genügt, daran zu denken, wie einfach es war, selbst vermeintlich statische Teile der Struktur zu entwenden und wegzutragen), und die Zerstörung eines Orts, des unwürdigen Schuttabladeplatzes, der eine Schande und Beleidigung jeder nur denkbaren schulischen Konzeption ist.
    Es folgen drei Slogans, drei Kriegsrufe, von denen wir erst in dem Augenblick, da wir sie erneut in der Zeitung lesen, bemerken, dass sie uns paradox geraten sind.
    DEN ANGRIFF IN DIE IMPERIALISTISCHE
SCHULE TRAGEN.
DIE STRUKTUREN UND DIE PLÄNE
DER SKLAVEN DES PROFITS ZERSCHLAGEN.
SELIG, WER DARAN GLAUBT,
WIR, NEIN, WIR GLAUBEN NICHT DARAN.
    In unserem revolutionären Eifer haben wir nicht über die Reihenfolge der Sätze nachgedacht, in denen wir unser Denken zusammenfassen wollten. Der dritte Satz, diese zu einer dunklen Drohung veränderte Zeile eines Schlagers, wendet sich gegen uns und macht uns lächerlich. Es ist, als zielte man mit einer Maschinenpistole auf jemanden und gäbe dann blinde Schüsse ab.
    Obwohl er die Schwere des Zwischenfalls anerkennt, kann der Journalist abschließend nicht umhin herauszustellen, wie komisch der Schluss des Bekennerschreibens erscheint: ein Abgleiten in Albernheit, ein Karikieren, ein Augenzwinkern, um zu sagen: Niemand muss sich sorgen, wir machen nur Spaß.
    »Das zahlen wir ihm heim«, sagt der Genosse Strahl.
    Wir sitzen auf einer Bank an der Piazza Strauss, ein paar Schritte von der Piazzetta Chopin entfernt, weit genug weg von den Müttern und Kindern, die zwanzig Meter weiter spielen. Flug kann also akzeptieren, dass der Genosse Strahl den Ton verstärkt und die Stimme erhebt; was er nicht duldet, ist der Inhalt des Satzes.
    »Wir zahlen ihm gar nichts heim«, sagt er. »Es ist unsere Schuld, nicht seine. Wir hätten das Bekennerschreiben besser formulieren müssen.«
    Während er das sagt, sieht er mich an, und dieses Mal spüre ich unmissverständlich, dass er mich beurteilt.
    »Wenn wir unsere Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen«, fährt er fort, »müssen wir unsere Aktionen verstärken: Es
ist die einzige Möglichkeit klarzustellen, dass es sich hier nicht um irgendwelche Zufallsaktionen handelt, und das Niveau der Auseinandersetzung zu heben. In der Zwischenzeit können wir auf Restriktionen gefasst sein, jetzt werden sich die Dinge in der Schule ändern.«
    Er hat recht: Vom nächsten Tag an beginnen die Einbestellungen zum Direktor. Alle müssen vor dem Direktor, einer Gruppe Lehrer und einem Mann von außerhalb der Schule, der sofort als Polizist zu erkennen ist, erscheinen: einer nach dem anderen, die Schüler aller Klassen, Jungen und Mädchen - zu Anfang hatte man vorgesehen, nur die Jungen zu befragen, aber dann waren es die Mädchen selbst, die protestiert und verlangt haben, ebenfalls einbestellt zu werden. Der Direktor spricht ruhig, der Polizist macht ein angewidertes Gesicht. Als wir an der Reihe sind, geht jeder von uns das Gespräch ganz gelassen an. Wir sind es gewesen, würde die historische Wahrheit sagen, doch die historische Wahrheit unterwirft sich dem Mythos. Die Konsequenz ist, dass wir nicht einmal vorgeben müssen, nichts damit zu tun zu haben, denn, wie schon geschehen, als wir den Brand beobachtet haben, herrscht auch jetzt, als wir mit den Fragen des Direktors und des Polizisten konfrontiert werden, das Gefühl vor, dass wir wie die anderen nur Zuschauer gewesen sind. Sicher, auch wir waren Opfer kleiner Diebstähle, aber wir haben sie nicht einmal bemerkt. Erst als wir wie die anderen in den Überresten des Feuers herumgestochert haben, hat einer ein Taschenmesser wiedergefunden, der andere versengte Bildchen, der dritte einen Bleistiftstumpf.
    Ich werde ein bisschen länger festgehalten. Ich weiß nicht wie, aber die Geschichte mit dem kleinen Exkrementenmann ist bis hierher gedrungen. Es werden ein paar Überprüfungen vorgenommen, ein paar Telefonate geführt, dann lässt man alles fallen. Eine Verbindung zwischen den beiden Vorkommnissen scheint unwahrscheinlich: zu spontan und grotesk das erste, zu sorgfältig geplant das zweite. Persönlich fühle ich mich ein wenig beleidigt; vom Gesichtspunkt des Kampfes her, sage ich mir, ist es besser so.

     
    »Es ist klar, dass wir jetzt keine Aktionen in der Schule mehr machen können«, sagt Flug, als wir uns alle drei am Nachmittag auf der Lichtung treffen. »Doch das ist kein Problem. Wir haben einen beträchtlichen Teil der Stadt, von dem wir Beschreibungen

Weitere Kostenlose Bücher