Die Glasfresser
Mikrozelle.
Uns bei diesen ersten kämpferischen Aktionen aufeinander abzustimmen - einer auf der Türschwelle, um aufzupassen und den anderen durch Alphastumm eine eventuelle Gefahr mitzuteilen, die stille Antwort des Genossen - hat uns gelehrt, dass noi, dieses »Wir«, das Wort ist, in dem die Zerstörung des Individuums und der Stolz, Genosse zu sein, koexistieren: Für mich, der ich immer ich sage und dessen Geschrei ungehört verhallt, ist es fast nicht möglich, wir zu denken, mich zugehörig zu fühlen. NOI ist auch das Akronym von Nucleo Osceno Italiano . Nucleo, das ist »die Zelle« und steht für Stabilität; osceno, »obszön«, ist die einzige Zeit, die zu leben Sinn hat; italiano ist das, was uns empört und worin wir feststecken.
Wir beschließen, eine neue Aktion durchzuführen und sie noch deutlicher für uns einzufordern. Wir wollen über die lokale Wahrnehmung dessen, was wir tun, hinauskommen, uns interessiert eine Schlagzeile in der Zeitung, wir wollen anerkannt werden.
Als Ort für unsere Aktion suchen wir das aus Hügeln, Mulden und Schlaglöchern bestehende Gelände hinter der Schule aus, ein halber Schuttabladeplatz, der für den Sportunterricht genutzt wird: Man zwingt uns, dort im Gänsemarsch auf und ab zu laufen, um uns herum Glasscherben, aufgeplatzte Müllsäcke, Ungeziefer und Ratten, von denen wir nicht den Blick wenden können.
Die Aktion besteht aus zwei Phasen: Sammlung und Zerstörung. In der ersten Phase erbeuten wir, über einige Tage verteilt, eine Reihe von Gegenständen, deren Verschwinden, für sich genommen, niemanden alarmiert; jeder wird denken: Diesen
Stift, dieses Buch habe ich bestimmt verlegt, vielleicht zu Hause vergessen. Auf diese Weise rauben wir nach und nach, indem wir ein Stück nach dem anderen und immer nur wenig davontragen, die Schule selbst aus.
Unter Anwendung unserer Technik der gegenseitigen Deckung und Kommunikation über das Alphastumm schaffen wir aus den Klassen Federmäppchen und Radiergummis fort, Lineale und Dreiecke, eine geophysikalische Karte Italiens, eine geopolitische, doch auch eine von Europa und ein ganzes Planiglob, die Reproduktion einer Karte von Palermo aus dem siebzehnten Jahrhundert, die an einer Wand im Korridor hing, verschiedene Kruzifixe aus Holz mit der im Laufe der Zeit vollkommen matt gewordenen kleinen weißen Figur aus Zinn, reduziert auf eine geschrumpfte Larve - die Brust eingefallen, die Beine aneinander gepresst; und dann ganze Zierleisten aus Formica, die wir ohne besondere Mühe von den Bänken losmachen, Schachteln voller Kreide und Tafelschwämme, ein Stück Rahmen von einer Tafel, einen Besen und Putzzeug aus einer Abstellkammer, so viele Religionsbücher, wie wir in die Hände bekommen, den Kork für die Krippe, schon vorbereitet für Dezember und ebenfalls im Abstellraum verwahrt, insgesamt alles, was wir finden können und was in einer Schultasche versteckt und weggetragen werden kann. Wir sammeln kiloweise Material, wenigstens drei Kubikmeter Schule. Ein Raub in Raten. Viele Gegenstände verstecken wir zu Hause, andere zwischen den Büschen auf dem hügeligen Gelände.
An diesem Punkt bereiten wir uns für die zweite Phase vor. Jeden Morgen, bevor wir in die Klasse kommen, holen wir das Diebesgut aus den häuslichen Verstecken und tragen es auf das Gelände, lassen es zwischen Hügeln und in Spalten verschwinden.
Dann gehen wir zur Zerstörung über.
Eines Abends tragen wir, unter Ausnutzung des Umstands, dass das Gelände nicht von Laternen beleuchtet ist, die Gegenstände zwischen zwei Erhebungen zusammen, an einer Stelle, die sowohl von der Straße als auch vom Eingang der Schule aus gut zu sehen ist. Alles zu transportieren braucht Zeit, doch die Wirkung
ist am Ende beachtlich. Am nächsten Morgen sind wir sehr früh da, jeder mit vier Kanistern Spiritus, gekauft im Supermarkt. Wir haben auch Stöcke vorbereitet und sie hinter den Hügeln deponiert, außerdem mit Zwirn und anderem brennbaren Material umflochtene Zündschnüre aus Watte. Als die Schule noch geschlossen und niemand auf der Piazza De Saliba ist, besprengen wir die aufgehäuften Dinge mit Spiritus, das Gleiche geschieht mit unseren Zündschnüren, die wir an den Enden anzünden. Sobald das Feuer Rhythmus und Atem gefunden hat, werfen wir aus ein paar Metern Entfernung die Schnüre auf den Haufen, der am Anfang unempfänglich dafür scheint, sodass der Genosse Strahl schon verzagt: Doch schließlich beginnt ein erster Faden Rauch
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