Die Glasfresser
und Analysen besitzen, zu unserer Verfügung. Wir suchen uns einen verwundbaren Stadtteil aus, der für unsere Zwecke geeignet ist. Dort schlagen wir zu.«
Die Wahl fällt auf den arabischen Brunnen auf der Piazza Edison. Sie liegt eine Viertelstunde von der Via Sciuti entfernt, fünfundzwanzig Minuten von der Schule, in einem ehemaligen Arbeiterviertel mit Eisenbahnerwohnungen, das irgendwann verbürgerlicht ist. Die Piazza Edison ist ein Kreis, der ein Quadrat enthält. Oder besser: ein viereckiges Forum. Ungefähr zwölf Meter Seitenlänge, eine niedrige Mauer mit einem Eisengitter. Eine Treppe ohne Schutz, die längs der Mauern verläuft und sich ungefähr zwanzig Meter nach unten windet. Hässliche Unkrautbüschel sprießen aus den Ritzen des verrotteten Steins. Schlupflöcher von Ratten, von riesigen Gliederfüßern. Dort, wo die Treppe endet, ein Eisentor, das den Zugang zu einer weiteren unterirdischen Welt versperrt.
Wir führen eine Reihe von Ortsbesichtigungen durch. Wir überprüfen die Fassaden der Wohnhäuser, wann sich jemand auf den Balkonen zeigt, wer uns beobachten könnte, wie gefährlich es ist, über das Eisengitter zu klettern oder die Treppe hinunterzusteigen, wie viel Licht am Abend verfügbar ist, vom Mond und von den Straßenlaternen der Via Libertà. Läden gibt es keine, Leute kommen nur sehr wenige vorbei, ab und zu jemand, der heimkehrt. Die Geräusche aus den Wohnungen sind leise und gedämpft. Eine fundamentale Ruhe.
Zu Hause suchen wir uns aus Schubladen allen Stoff zusammen, den wir finden können. In Fanciulle operose, dem alten Schulbuch der Schnur, lese ich das Kapitel über Nähen. Mir ist das unangenehm, weil ich die stereotype Vorstellung habe, dass Nähen etwas für Mädchen sei, doch Genosse zu sein bedeutet auch, Vorurteile zu verbannen und sich hermaphroditengleich zu gewissen Tätigkeiten herabzulassen, wenn es der Kampf erfordert.
Ich entdecke also, was es bedeutet, zu nähen, eine Form zu geben, zu gestalten. Die subtilen Gesetze einer Steppnaht.
Mit diesem fachlichen Gepäck treffe ich Strahl und Flug. Wir drehen eine Runde durch die Geschäfte, wir brauchen Schaumstoff. Die Möglichkeit, jenen Schaumstoff zu stehlen, den man in der Schule zur Reparatur der Hochsprungmatratze gekauft hat, haben wir verworfen. Es würde im Moment zu viel Aufmerksamkeit erregen. Wir finden Läden, wo es gelbe Fußbälle gibt, die ganz aus Schaumstoff bestehen: Das Problem ist, dass wir zu viele bräuchten, wir haben nicht genug Geld. Der Genosse Strahl erinnert sich, dass es in der Via Liguria ein unbebautes Gelände gibt, wo die Leute ihren Müll hinwerfen. Dort suchen wir und finden zwischen kaputten Kühlschränken und toten Tieren, was wir brauchen. Sessel und Sofas mit aufgerissenem Stoff, aus denen die Füllung herausquillt. Sie ist durchnässt und stinkt oder hat die Festigkeit eines Ziegelsteins, aber das macht nichts.
Wir nehmen die Kissen mit und stapeln sie auf der Lichtung. Wir zerbröckeln den Schaumstoff mit den Händen, pressen ihn dann wieder zusammen, um Körper zu formen, anderthalb Meter groß, mit Köpfen und Armen und angedeuteten Händen, Beinen und Füßen. Dann beginnen wir mit der Näharbeit. Wir verbinden die Fetzen so, dass die Umrisse eines Körpers entstehen. Diese Haut ziehen wir über den Schaumstoff und bringen so drei Puppen zustande.
Die nächste Phase sieht vor, verschiedene Kleidungsstücke und Accessoires zu besorgen. Diesmal vermeiden wir es, Sachen von zu Hause zu nehmen. Wir kehren zu dem Müllabladeplatz zurück und werden fündig. Eine graue Jacke, die einer der Puppen großartig steht, Kindercordhosen, die allerdings eng sitzen. Wir bekommen es irgendwie hin und ziehen sie an; in die Brusttasche der Jacke stecken wir Kugelschreiber und Bleistifte. Einer anderen Puppe ziehen wir Schlaghosen an, die wir auf dem Markt gekauft haben; sie sind blau und hängen von den Knien abwärts schlaff herunter. Für den oberen Teil kaufen wir, ebenfalls auf dem Markt, ein weißes Hemd, eine mit Blumen bestickte Weste und eine Tolfa-Umhängetasche.
Die Käufe tätigen wir an verschiedenen Tagen, in verschiedenen Gegenden und allein, nie zusammen; dabei tragen wir Mützen und Sonnenbrillen. Die dritte Puppe macht uns am meisten Mühe. Doch Flug weiß, wie wir vorgehen müssen. Eines Nachmittags begleitet er einen seiner Brüder in die Wohnung eines Freundes, der zur Universität geht, in der Via Divisi Chemie studiert. Während sie sich in dessen
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