Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
Vom Netzwerk:
schien nur aus einem gewaltigen, spinnenfetten Bauch und zwei häßlichen spindeldürren Beinchen zu bestehen, die in die hohen Bügel gespannt wurden, und während das Baby geboren wurde, gab sie immerzu dieses unmenschlich klingende Stöhnen von sich.
    Später sagte mir Buddy, die Frau habe unter Medikamenten gestanden, die sie den Schmerz nicht hatten spüren lassen, und als sie geflucht und gestöhnt habe, da sei sie in einer Art Halbschlaf gewesen und habe nicht wirklich mitbekommen, was eigentlich los war.
    In meinen Ohren klang das genau nach jener Art von Medikament, die nur ein Mann erfinden konnte. Da lag eine Frau mit fürchterlichen Schmerzen und spürte diese Schmerzen offenbar genau, sonst hätte sie nicht so gestöhnt, aber später ging sie nach Hause und fing gleich mit dem nächsten Kind an, weil das Medikament sie den schrecklichen Schmerz vergessen ließ, während doch die ganze Zeit irgendwo im verborgenen in ihr dieser lange Schmerzensgang ohne Türen und Fenster nur darauf wartete, sich wieder zu öffnen und sie von neuem einzuschließen.
    Der Chefarzt, der Will überwachte, sagte immer wieder zu der Frau: »Sie müssen pressen, Mrs. Tomolillo, pressen, ja, braves Mädchen, pressen«, und schließlich sah ich an der gespaltenen, rasierten, durch das Desinfektionsmittel grell leuchtenden Stelle zwischen den Beinen etwas dunkles Wuscheliges auftauchen.
    »Der Kopf des Babys«, flüsterte mir Buddy unter dem Stöhnen der Frau zu.
    Aber der Babykopf blieb aus irgendeinem Grund stecken, und der Arzt sagte zu Will, er müsse einen Schnitt machen. Ich hörte, wie sich die Schere in der Haut der Frau vorarbeitete, und dann begann Blut zu fließen – ein leuchtendes, helles Rot. Und plötzlich schien das Baby hervorzuplumpsen, direkt in Wills Hände, pflaumenblau, mit einem weißen Zeug überzogen, blutig, und Will stammelte immer wieder erschrocken: »Ich laß es fallen. Ich laß es fallen. Ich laß es fallen.«
    »Nein, wieso denn?« sagte der Arzt, nahm Will das Baby aus den Händen und begann es zu massieren. Die blaue Färbung verschwand, mit einer verloren klingenden, krächzenden Stimme begann das Baby zu schreien, und ich konnte sehen, daß es ein Junge war.
    Als erstes pinkelte es dem Arzt ins Gesicht. Später sagte ich zu Buddy, ich könnte nicht verstehen, wie das möglich sei, aber er erklärte mir, es sei durchaus möglich, wenn es auch nicht sehr oft vorkomme.
    Sobald das Baby da war, teilten sich die Leute im Raum in zwei Gruppen, die Schwestern banden ihm eine blecherne Hundemarke um das Handgelenk und wischten ihm mit einem Wattebausch am Ende eines Stäbchens die Augen aus, wickelten es in Tücher und legten es in ein mit Leinen gefüttertes Bettchen, während sich der Arzt und Will daran machten, den Schnitt in der Frau mit einer Nadel und einem langen Faden zu vernähen.
    Ich glaube, jemand sagte: »Es ist ein Junge, Mrs. Tomolillo«, aber die Frau antwortete nicht und hob auch nicht den Kopf.
    »Na, wie war's?« fragte mich Buddy mit zufriedener Miene, als wir über den grünen Innenhof zu seinem Zimmer gingen.
    »Herrlich«, sagte ich. »So was könnte ich mir jeden Tag ansehen.«
    Ich getraute mich nicht, ihn zu fragen, ob man Babys auch auf andere Weise bekommen könnte. Aus irgendeinem Grund schien es mir das wichtigste zu sein, wirklich zu sehen, wie das Baby aus einem herauskam, um sicherzugehen, daß es das eigene war. Ich dachte, wenn man ohnehin all die Schmerzen aushalten muß, kann man ebensogut wach bleiben.
    Ich hatte mir immer vorgestellt, ich würde mich auf dem Entbindungstisch mit den Ellbogen langsam aufrichten, wenn es vorüber war – totenbleich natürlich und ohne Make-up nach dieser Quälerei, aber lächelnd und strahlend, das Haar hinge mir bis zur Taille herab, und dann würde ich die Hände nach meinem ersten sich windenden kleinen Kind ausstrecken und seinen Namen sagen, wie immer er lauten mochte.
    »Warum war es ganz mit Mehl überzogen?« fragte ich schließlich, um das Gespräch in Gang zu halten, und Buddy erzählte mir von der talgartigen Substanz, die die Haut von Babys schützt.
    Als wir in Buddys Zimmer waren, das mich mit seinen kahlen Wänden, dem kahlen Bett, dem kahlen Fußboden und dem mit Grays Anatomy und anderen schauerlichen Wälzern beladenen Schreibtisch an eine Mönchszelle erinnerte, zündete Buddy eine Kerze an und öffnete eine Flasche Dubonnet. Dann legten wir uns nebeneinander auf das Bett, und Buddy nippte an seinem Glas,

Weitere Kostenlose Bücher