Die Glasglocke (German Edition)
Squash spielten oder über das Wochenende weggefahren waren, also nahm ich selbst ab.
»Bist du es, Esther?« fragte das Mädchen, das unten Aufsicht führte, und als ich bejahte, fügte sie hinzu: »Da ist ein Mann für dich.«
Ich war überrascht, denn von allen blind dates , die ich im letzten Jahr gehabt hatte, hatte sich keiner ein zweites Mal gemeldet. Ich hatte einfach kein Glück. Ich haßte es, jeden Samstagabend mit Schweißhänden und neugierig nach unten zu kommen und mich von einer der älteren Studentinnen mit dem Sohn der besten Freundin ihrer Tante bekannt machen zu lassen, irgendeinem bleichen, verkniffenen Jüngling mit abstehenden Ohren, vorstehenden Zähnen oder einem Hinkebein. Ich fand, ich hatte das nicht verdient. Ich war schließlich nicht verkrüppelt, ich arbeitete bloß zuviel, ich wußte nicht, wann ich aufhören sollte.
Ich kämmte mich also, legte noch etwas Lippenstift auf, nahm mein Geschichtsbuch – damit ich sagen konnte, ich sei unterwegs in die Bibliothek, falls es irgendein Widerling war – und ging nach unten, und da lehnte Buddy Willard am Posttisch, in einem hellbraunen Anorak, blauen Jeans und verschlissenen grauen Turnschuhen und grinste mir entgegen.
»Ich wollte nur kurz Hallo sagen«, sagte er.
Ich fand es seltsam, daß er den ganzen Weg von Yale, wenn auch aus Sparsamkeitsgründen per Anhalter, heraufgekommen war, nur um mir kurz Hallo zu sagen.
»Hallo«, sagte ich. »Komm, wir setzen uns draußen auf die Veranda.«
Ich wollte nach draußen auf die Veranda, weil das Aufsicht führende Mädchen mich schon neugierig beobachtete. Offenbar war sie der Ansicht, Buddy habe einen schweren Fehler gemacht.
Wir setzten uns nebeneinander in zwei Korbschaukelstühle. Das Sonnenlicht war klar und windstill und wärmte fast schon.
»Ich kann nur ein paar Minuten bleiben«, sagte Buddy.
»Na, komm«, sagte ich, »bleib über Mittag!«
»Das geht nicht. Ich bin zum Ball der Zweijährigen hier, mit Joan.«
Ich kam mir vor wie der letzte Idiot.
»Wie geht es Joan?« fragte ich kalt.
Joan Gilling kam aus unserer Stadt, ging in unsere Kirche und war mir auf dem College ein Jahr voraus, ein großes Tier – Jahrgangssprecherin, studierte Physik im Hauptfach und hatte die Collegemeisterschaften im Hockey gewonnen. Es graute mir immer ein bißchen, wenn ich sie sah, mit ihren starren Kieselsteinaugen und ihren schimmernden Grabsteinzähnen und ihrer atemlosen Stimme. Außerdem war sie groß wie ein Pferd. Ich fand, Buddy hatte einen ziemlich schlechten Geschmack.
»Ach, Joan«, sagte er. »Sie hat mich vor zwei Monaten zu diesem Ball eingeladen, ihre Mutter hat meine Mutter gefragt, ob ich mit ihr hingehen würde, was blieb mir anderes übrig?«
»Aber warum hast du ja gesagt, wenn du gar nicht wolltest?« fragte ich spitz.
»Ach, ich mag Joan. Es ist ihr egal, ob man Geld für sie ausgibt oder nicht, und sie ist gern im Freien. Als sie das letzte Mal in Yale war, zur Wochenendparty von unserem Haus, haben wir eine Radtour nach East Rock gemacht. Sie war das einzige Mädchen, das ich nicht den Berg hochschieben mußte. Joan ist in Ordnung.«
Mich packte der kalte Neid. Ich war noch nie in Yale gewesen, und nach Yale fuhren alle älteren Studentinnen aus meinem Haus über das Wochenende am liebsten. Ich nahm mir vor, von Buddy Willard nichts mehr zu erwarten. Wenn man von jemandem nichts erwartet, wird man auch nicht enttäuscht.
»Dann sieh nur zu, daß du Joan findest«, sagte ich nüchtern. »Gleich kommt jemand, mit dem ich verabredet bin, dem würde es nicht gefallen, wenn er mich hier mit dir herumsitzen sieht.«
»Verabredet?« Buddy machte ein erstauntes Gesicht. »Mit wem?«
»Es sind zwei«, sagte ich. »Peter der Einsiedler und Walter der Habenichts.«
Buddy blieb stumm, deshalb sagte ich: »Das sind ihre Spitznamen.«
Dann fügte ich hinzu: »Sie kommen aus Dartmouth.«
Ich vermute, Buddy hatte wenig Ahnung von Geschichte, denn er biß sich auf die Lippen. Mit einem Ruck stand er auf und versetzte dem Schaukelstuhl einen kleinen, unnötigen Stoß nach hinten. Dann ließ er mir einen blaßblauen Briefumschlag mit dem Wappen von Yale darauf in den Schoß fallen.
»Hier ist ein Brief, den ich dir dalassen wollte, falls du nicht hier gewesen wärst. Die Frage darin kannst du mir ja mit der Post beantworten. Ich habe keine Lust, sie dir jetzt zu stellen.«
Nachdem Buddy gegangen war, öffnete ich den Brief. Es war eine Einladung zum Jahrgangsball seiner
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