Die Glasglocke (German Edition)
Peru.«
»Die sind da klein und gedrungen«, sagte ich, »und häßlich wie die Azteken.«
»Nein, nein, nein, Liebling. Ich habe ihn schon getroffen.«
Wir saßen auf meinem Bett in einem Durcheinander aus schmutzigen Baumwollkleidern, Nylonstrümpfen mit Laufmaschen und grauer Unterwäsche, und seit zehn Minuten redete Doreen auf mich ein, ich solle zu einem Ball in einem Country Club mitkommen, mit einem Freund von einem Bekannten von Lenny, und das sei, so beteuerte sie, etwas ganz anderes als ein Freund von Lenny, aber weil ich am nächsten Morgen den Acht-Uhr-Zug erreichen wollte, hatte ich das Gefühl, ich sollte versuchen zu packen.
Außerdem hatte ich die dunkle Ahnung, wenn ich die ganze Nacht allein durch die Straßen von New York spazierte, würde zuletzt doch noch etwas von dem Geheimnis und der Großartigkeit dieser Stadt an mir hängenbleiben.
Aber ich gab klein bei.
In diesen letzten Tagen fiel es mir immer schwerer, mich zu irgend etwas aufzuraffen. Und wenn ich mich schließlich doch aufraffte, etwa zum Kofferpacken, dann zerrte ich nur all meine schmuddeligen, teuren Kleider aus der Kommode und dem Wandschrank, verteilte sie auf Stühlen, Bett und Fußboden und saß zuletzt da und starrte sie bestürzt an. Es war, als besäßen sie eine eigene störrische Identität, die sich nicht einfach waschen und falten und einpacken ließ.
»Es sind diese Kleider«, erklärte ich Doreen. »Ich würde den Anblick nicht ertragen, wenn ich zurückkomme.«
»Dagegen läßt sich was tun.«
Und schon machte sich Doreen auf ihre wunderbar direkte Art daran, die Unterröcke und Strümpfe und den aufwendigen trägerlosen Büstenhalter voller Stahlfedern – ein Geschenk der Primrose Corset Company –, den ich mich nie zu tragen getraut hatte, und schließlich eines nach dem anderen auch die trostlose Ansammlung komisch geschnittener Vierzig-Dollar-Kleider aufzulesen …
»He, laß das draußen. Das ziehe ich an.«
Doreen zerrte einen schwarzen Fetzen aus ihrem Bündel und ließ ihn mir in den Schoß fallen. Dann ballte sie die anderen Kleider zu einem großen, weichen Bündel und stopfte sie unter das Bett, wo man sie nicht mehr sehen konnte.
Doreen klopfte an der grünen Tür mit dem goldenen Knopf. Schlurfende Schritte und jäh abbrechendes Männerlachen waren von drinnen zu hören. Ein großer Junge in Hemdsärmeln, mit einem blonden Bürstenschnitt öffnete die Tür einen Spaltweit und spähte heraus.
»Baby!« rief er.
Doreen verschwand in seinen Armen. Ich glaubte, das müsse der Bekannte von Lenny sein.
Ich blieb ruhig im Eingang stehen, in meinem schwarzen engen Kleid und meiner schwarzen Fransenstola, zurückhaltender denn je, aber auch weniger erwartungsvoll. »Ich bin eine Beobachterin«, sagte ich mir, während ich zusah, wie der blonde Junge Doreen an einen anderen Mann weitergab, der ebenfalls groß war, aber dunkles, etwas längeres Haar hatte. Dieser Mann trug einen tadellosen weißen Anzug, ein blaßblaues Hemd und eine gelbe Satinkrawatte mit einer leuchtenden Krawattennadel.
Ich kam von dieser Krawattennadel nicht mehr los.
Ein starkes, weißes Licht schien aus ihr hervorzubrechen und füllte den ganzen Raum. Dann fiel das Licht in sich zusammen, und zurück blieb ein Tautropfen auf einem Goldfeld.
Ich setzte einen Fuß vor den anderen.
»Das ist ein Diamant«, sagte jemand, und ein paar Leute fingen an zu lachen.
Mein Fingernagel tippte an eine spiegelnde Facette.
»Ihr erster Diamant.«
»Gib ihn ihr, Marco.«
Marco verbeugte sich und legte mir die Krawattennadel auf die flache Hand.
Sie blendete und tanzte vor lauter Licht wie ein himmlischer Eiswürfel. Rasch ließ ich sie in meine mit unechten Jetperlen besetzte Handtasche gleiten und sah mich um. Die Gesichter waren leer wie Teller, und niemand schien zu atmen.
»Zum Glück«, eine trockene, harte Hand griff nach meinem Oberarm, »begleite ich diese Dame durch den weiteren Abend. Vielleicht«, das Funkeln in Marcos Augen erlosch, sie wurden schwarz, »kann ich ihr einen kleinen Dienst erweisen …«
Jemand lachte.
»… der einen Diamanten wert ist.«
Die Hand um meinen Arm zog sich zusammen.
»Autsch!«
Marco ließ los. Ich sah auf meinen Arm. Deutlich sichtbar errötete dort ein Daumenabdruck. Marco ließ mich nicht aus den Augen. Er zeigte auf die Unterseite meines Armes. »Sehen Sie mal da.«
Ich sah vier dazu passende, schwächere Abdrücke.
»Sie sehen, ich meine es ernst.«
Marcos schmales, flackerndes
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