Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
Vom Netzwerk:
Sie sie lieben?«
    »Natürlich.«
    Ich hielt inne. Das Hindernis schien mir unwirklich.
    »Wenn Sie jetzt Ihre Cousine lieben«, sagte ich, »werden Sie eines Tages auch jemand anderen lieben.«
    Marco schleuderte seine Zigarre beiseite.
    Der Boden kippte und traf mich mit einem weichen Schlag. Schmutz krümelte mir zwischen den Fingern. Marco wartete, bis ich mich halb aufrichtete. Dann legte er beide Hände auf meine Schultern und stieß mich zurück.
    »Mein Kleid …«
    »Dein Kleid!« Die weiche Erde gab nach und paßte sich meinen Schulterblättern an. »Dein Kleid!« Marcos Gesicht senkte sich wie eine Wolke über meines. Ein paar Speicheltropfen trafen meine Lippen. »Dein Kleid ist schwarz, und der Dreck ist auch schwarz.«
    Dann warf er sich auf mich, als wollte er seinen Körper durch mich hindurch in die Erde rammen.
    »Jetzt passiert es«, dachte ich. »Jetzt passiert es. Wenn ich hier einfach liegenbleibe und nichts tue, passiert es jetzt.«
    Marco packte den Träger über meiner Schulter mit den Zähnen und riß mir das Kleid bis zur Taille herunter. Ich sah schimmernde nackte Haut, ein bleiches Segel, das zwei blutgierige Gegner trennte.
    »Fotze!«
    Das Wort zischte an meinem Ohr vorbei.
    »Fotze!«
    Der Staub legte sich, ich konnte den Kampfplatz überblicken.
    Ich begann mich zu winden und zu beißen.
    Marco drückte mich mit aller Kraft auf die Erde.
    »Fotze!«
    Ich trat mit meinem scharfen Schuhabsatz nach seinem Bein. Er drehte sich um und tastete nach der schmerzenden Stelle.
    Ich ballte die Finger zur Faust und schmetterte sie ihm an die Nase. Es war, als würde ich gegen den Stahlpanzer eines Schlachtschiffes schlagen. Marco setzte sich aufrecht. Ich fing an zu weinen.
    Er zog ein weißes Taschentuch hervor und betupfte seine Nase. Wie Tusche breitete sich Schwärze auf dem bleichen Stoff aus.
    Ich saugte an meinen salzigen Fingerknöcheln.
    »Ich will zu Doreen.«
    Marco starrte mit leeren Augen auf den Golfplatz.
    »Ich will zu Doreen. Ich will nach Hause.«
    »Fotzen, lauter Fotzen.« Marco schien ein Selbstgespräch zu führen. »Ja oder nein, es ist immer das gleiche.«
    Ich versetzte Marco einen Stoß gegen die Schulter.
    »Wo ist Doreen?«
    Marco schnaubte. »Geh zum Parkplatz. Sieh hinten in den Wagen nach.«
    Dann fuhr er herum.
    »Mein Diamant.«
    Ich erhob mich und zog meine Stola aus der Dunkelheit hervor. Dann ging ich los. Marco sprang auf und verstellte mir den Weg.Absichtlich strich er mit den Fingern an seiner blutigen Nase entlang und wischte sie dann mit zwei Strichen an meinen Wangen ab. »Mit diesem Blut habe ich mir meinen Diamanten verdient. Gib ihn mir.«
    »Ich weiß nicht, wo er ist.«
    Dabei wußte ich genau, daß der Diamant in meiner Handtasche war und daß meine Handtasche, als mich Marco zu Boden geworfen hatte, wie ein Nachtvogel in die uns umgebende Dunkelheit geflogen war. Mir kam der Gedanke, ich könnte Marco weglocken, dann noch einmal zurückkehren und nach ihr suchen.
    Ich hatte keine Ahnung, was ein Diamant dieser Größe wert war, aber ich wußte, es würde eine ganze Menge sein.
    Marco packte mich mit beiden Händen bei den Schultern.
    »Sag es mir«, sagte er, wobei er jedes Wort betonte. »Sag es mir, oder ich dreh dir den Hals um.«
    Plötzlich war es mir egal.
    »Er ist in meiner mit unechten jetperlen besetzten Handtasche«, sagte ich. »Irgendwo da hinten im Dreck.«
    Ich ließ Marco zurück, der auf Händen und Knien in der Dunkelheit herumkroch und nach einer anderen Dunkelheit suchte, die das Licht seines Diamanten vor seinen wütenden Augen versteckte.
    Doreen war weder im Tanzsaal noch auf dem Parkplatz.
    Ich hielt mich im Schatten, damit niemand das Gras bemerkte, das an meinem Kleid und meinen Schuhen klebte, und mit der schwarzen Stola bedeckte ich meine Schultern und die nackten Brüste.
    Zum Glück war der Ball fast zu Ende, einige Leute gingen schon und kamen zu den parkenden Autos herüber. Ich fragte bei jedem Wagen, bis ich einen fand, in dem noch Platz war und der mich in Manhattan absetzen konnte.
    In der ungewissen Stunde zwischen Dunkel und Dämmer lag die Sonnenterrasse des Amazon verlassen da.
    Verstohlen wie ein Einbrecher schlich ich in meinem Bademantel mit dem Kornblumenmuster zur Brüstung. Sie reichte mir fast bis zu den Schultern, deshalb zog ich einen Liegestuhl aus dem an der Wand lehnenden Stapel, klappte ihn auf und bestieg die schwankende Sitzfläche.
    Ein kräftiger Wind hob mir das Haar vom Kopf. Unter mir

Weitere Kostenlose Bücher