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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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lachte mich aus und tanzte unbeschwert wie ein Rettungsring auf dem Wasser.
    Ich wußte, wann ich besiegt war.
    Ich kehrte um.
    Die Blumen nickten wie kluge, wißbegierige Kinder, während ich sie den Gang entlangrollte.
    Ich kam mir albern vor in meiner salbeigrünen Freiwilligenkluft – und obendrein überflüssig, anders als die Ärzte und Schwestern in ihren weißen und selbst die Putzfrauen in ihrenbraunen Kitteln, die mit Mop und Eimer wortlos an mir vorübergingen.
    Wenn ich Geld dafür bekommen hätte, egal wie wenig, dann hätte ich es immerhin als richtigen Job ansehen können, aber das einzige, was ich dafür bekam, daß ich einen Morgen lang Illustrierte und Süßigkeiten und Blumen herumschob, war ein Mittagessen umsonst.
    Meine Mutter sagte, wenn man zuviel über sich selbst nachdenkt, ist es heilsam, jemandem zu helfen, der noch schlimmer dran ist als man selbst, deshalb hatte Teresa dafür gesorgt, daß ich als Freiwillige im hiesigen Krankenhaus unserer Stadt antreten konnte. Es war schwierig, eine dieser Stellen zu bekommen, weil sie bei den Frauen, die das College gerade hinter sich hatten, sehr begehrt waren, aber ich hatte Glück gehabt, viele von ihnen waren gerade in den Ferien.
    Ich hatte gehofft, sie würden mich auf eine Station mit ein paar wirklich harten Fällen stecken, wo die Patienten hinter meiner starren Miene sofort erkannten, daß ich es gut meinte, und dankbar waren. Aber die Leiterin des Freiwilligendienstes, eine ziemlich vornehme Dame aus unserer Kirchengemeinde, sah mich nur einmal kurz an und sagte: »Sie kommen in die Entbindung.«
    Also fuhr ich mit dem Aufzug zur Entbindungsstation im dritten Stock und meldete mich bei der Oberschwester. Die gab mir den Wagen mit den Blumen. Ich sollte die richtigen Vasen neben die richtigen Betten in den richtigen Zimmern stellen. Aber bevor ich die Tür des ersten Zimmers erreichte, fiel mir auf, daß viele Blumen die Köpfe hängen ließen oder braune Ränder bekommen hatten. Ich dachte, für eine Frau, die gerade ein Kind bekommen hat, muß es ziemlich deprimierend sein, wenn ihr jemand einen großen Strauß verwelkter Blumen vor die Nase stellt, deshalb schob ich den Wagen zu einem Waschbecken in einer Fensternische des Gangs und begann, die verwelkten Blumen auszusortieren.
    Dann sortierte ich alle die aus, die zu welken begonnen hatten.
    Nirgendwo war ein Mülleimer zu sehen, deshalb knüllte ich die Blumen zusammen und legte sie in das tiefe weiße Becken. Dieses Becken war kalt wie ein Grab. Ich lächelte. Ungefähr so mußten sie auch die Leichen in der Leichenkammer des Krankenhauses verstauen. Im Kleinen war meine Geste ein Widerhall der größeren Geste der Ärzte und Schwestern.
    Schwungvoll öffnete ich die Tür zum ersten Zimmer und trat ein, den Wagen zog ich hinter mir her. Ein paar Schwestern fuhren hoch, und ich hatte einen verschwommenen Eindruck von Regalen und Arzneischränken.
    »Was wollen Sie?« fragte eine der Schwestern streng. Ich konnte sie nicht voneinander unterscheiden, alle sahen gleich aus.
    »Ich fahre die Blumen herum.«
    Die Schwester, die mich angesprochen hatte, legte mir eine Hand auf die Schulter und führte mich, indem sie mit ihrer freien, tatkräftigen Hand den Wagen schob, aus dem Zimmer. Sie stieß die Schwingtüren zu dem Zimmer nebenan auf und ließ mich mit einem Kopfnicken eintreten. Dann verschwand sie.
    Ich hörte entferntes Kichern, bis sich eine Tür schloß und es abschnitt.
    Sechs Betten standen in dem Zimmer, und in jedem Bett war eine Frau. Alle Frauen saßen aufrecht, strickten oder blätterten in Illustrierten oder schoben sich Lockenwickler ins Haar, und sie schwatzten wie die Papageien in einem Papageienhaus.
    Ich hatte erwartet, sie würden schlafen oder ruhig und blaß daliegen, so daß ich problemlos auf Zehenspitzen herumgehen und die Nummern an den Betten mit den in Tinte geschriebenen Nummern auf den Klebebändern an den Vasen vergleichen konnte, aber ehe ich mich besinnen konnte, winkte mir eine lebhafte, aufgedonnerte Blondine mit einem kantigen Dreiecksgesicht zu.
    Ich ließ den Wagen stehen und ging auf sie zu, da machte sie eine ungeduldige Geste, und ich verstand, daß ich den Wagen mitbringen sollte.
    Mit hilfsbereitem Lächeln schob ich den Wagen neben ihr Bett. »He, wo ist denn mein Rittersporn?« Mit Adleraugen spähte eine große, schwammige Frau quer durch den Raum zu mir herüber.
    Die Blondine mit dem kantigen Gesicht beugte sich über den Wagen. »Da sind

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