Die Glasglocke (German Edition)
ja meine gelben Rosen«, sagte sie, »aber dazwischen lauter eklige Iris.«
Andere Stimmen mischten sich ein. Sie klangen ärgerlich und laut und vorwurfsvoll.
Ich hatte den Mund geöffnet und wollte gerade erklären, ich hätte einen Strauß verwelkten Rittersporn in das Waschbecken geworfen, und einige der Vasen, die ich gesäubert hatte, hätten nachher so dürftig und leer ausgesehen, daß ich ein paar Sträuße zusammengenommen und neu verteilt hatte, um sie aufzufüllen, als die Schwingtür aufflog und eine Schwester hereinkam, um nachzusehen, was da für ein Tumult entstanden war.
»Hören Sie, Schwester, ich hatte so einen großen Strauß Rittersporn, den mir Larry gestern abend mitgebracht hat.«
»Sie hat meine gelben Rosen vermurkst.«
Im Laufen knöpfte ich mir den grünen Kittel auf und stopfte ihn, als ich daran vorbeikam, in das Waschbecken mit dem welken Pflanzenabfall. Im Treppenhaus zur Straße hinunter nahm ich immer zwei Stufen auf einmal und begegnete keiner Menschenseele.
»Wo geht es hier zum Friedhof?«
Der Italiener in der schwarzen Lederjacke blieb stehen und deutete einen Weg hinter der weißen Methodistenkirche entlang. Die ersten neun Jahre meines Lebens war ich methodistisch gewesen, bis mein Vater starb und wir Unitarier wurden. Meine Mutter war katholisch gewesen, bevor sie Methodistin wurde. Meine Großmutter, mein Großvater und meine Tante Libbywaren noch immer katholisch. Meine Tante Libby war zur gleichen Zeit wie meine Mutter aus der katholischen Kirche ausgetreten, aber dann hatte sie sich in einen italienischen Katholiken verliebt und war zurückgegangen.
In letzter Zeit hatte ich überlegt, ob auch ich vielleicht katholisch werden sollte. Ich wußte, daß die Katholiken es als eine schreckliche Sünde ansahen, sich selbst zu töten. Aber vielleicht hatten sie dann auch eine gute Methode, mich davon abzubringen.
Ich glaubte selbstverständlich nicht an ein Leben nach dem Tod oder die jungfräuliche Geburt oder die Inquisition oder die Unfehlbarkeit dieses Papstes mit dem Äffchengesicht, aber das brauchte ich dem Priester ja nicht zu sagen, ich konnte mich einfach auf meine Sünde konzentrieren, und er würde mir beim Bereuen helfen.
Das Dumme war nur, die Kirche, selbst die katholische, nahm nicht das ganze Leben in Anspruch. Egal, wie lange man kniete und betete, man mußte dennoch dreimal am Tag essen, einen Beruf haben und in der Welt leben.
Ich wollte wissen, wie lange man katholisch sein mußte, ehe man Nonne werden konnte, also hatte ich meine Mutter gefragt, weil ich dachte, sie wüßte Bescheid.
Meine Mutter hatte mich ausgelacht. »Glaubst du vielleicht, die nehmen eine wie dich, einfach so? Da mußt du erst mal alle Katechismen und Credos auswendiglernen und an sie glauben, mit allem Drum und Dran. Ein Mädchen mit deinem Verstand!«
Trotzdem stellte ich mir vor, ich würde zu einem Priester in Boston gehen – es mußte Boston sein, denn in meiner Heimatstadt sollte kein Priester wissen, daß ich daran dachte, mich umzubringen. Priester waren furchtbare Klatschmäuler.
Ich würde in Schwarz gekleidet sein, das Gesicht totenbleich, und ich würde mich dem Priester zu Füßen werfen und sagen: »Oh, Vater, helfen Sie mir.«
Aber das war gewesen, bevor die Leute angefangen hatten, mich komisch anzusehen, wie diese Schwestern im Krankenhaus.
Ich war mir ziemlich sicher, daß die Katholiken eine verrückte Nonne nicht nehmen würden. Der Mann von meiner Tante Libby hatte mal eine komische Geschichte über eine Nonne erzählt, die von ihrem Kloster zur Untersuchung zu Teresa geschickt worden war. Diese Nonne hatte immerzu Harfenklänge gehört und außerdem eine Stimme, die in einem fort »Alleluja!« sagte. Aber bei genauerem Nachfragen war sie sich nicht mehr sicher, ob die Stimme Alleluja oder Arizona sagte. Die Nonne kam aus Arizona, und ich glaube, zuletzt kam sie in eine Anstalt.
Ich zog meinen schwarzen Schleier bis vor das Kinn und trat durch das schmiedeeiserne Tor. Es kam mir seltsam vor, daß während der ganzen Zeit, in der mein Vater auf diesem Friedhof begraben lag, keiner von uns ihn je besucht hatte. Meine Mutter hatte uns zur Beerdigung nicht mitgenommen, weil wir damals noch Kinder waren, und er war im Krankenhaus gestorben, so daß der Friedhof und selbst sein Tod für mich immer unwirklich blieben.
In letzter Zeit empfand ich ein heftiges Verlangen, diese Jahre der Vernachlässigung meinem Vater gegenüber wiedergutzumachen und sein
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