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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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Zähnen sah es aus wie auf den Karten, die die Krater auf dem Mond wiedergeben.
    »Ich glaube, wir können Sie sofort drannehmen, Esther«, sagte Miss Huey. »Mr. Anderson macht es bestimmt nichts aus, zu warten, nicht wahr, Mr. Anderson?«
    Mr. Anderson sagte kein Wort, so betrat ich, den Arm von Miss Huey auf der Schulter, Mrs. Nolan hinter mir, den nächsten Raum.
    Aus Angst, der Anblick würde mich wie ein tödlicher Schlag treffen, kniff ich die Augen zusammen und sah nur undeutlich das hohe Bett mit dem straff gezogenen Laken und den Apparat hinter dem Bett und die maskierte Person – ich konnte nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau war – hinter dem Apparat und die anderen maskierten Leute auf beiden Seiten neben dem Bett.
    Miss Huey half mir beim Hinaufklettern und Hinlegen.
    »Erzählen Sie mir was«, sagte ich.
    Miss Huey begann mit leiser, beschwichtigender Stimme zu sprechen, während sie mir die Salbe auf die Schläfen rieb und die kleinen elektrischen Knöpfe auf beiden Seiten des Kopfes anbrachte. »Es wird alles gut sein, Sie werden nichts spüren, beißen Sie einfach zu …« Sie schob mir etwas auf die Zunge, und in panischem Schrecken biß ich zu, und Dunkelheit löschte mich aus wie einen Kreidestrich auf einer schwarzen Tafel.

Achtzehn
    »Esther.«
    Ich erwachte aus einem tiefen, triefenden Schlaf, und als erstes sah ich Mrs. Nolans Gesicht vor mir schwimmen und »Esther, Esther« sagen.
    Mit unbeholfener Hand rieb ich mir die Augen.
    Hinter Mrs. Nolan sah ich den Körper einer Frau in einem zerknitterten, schwarzweiß karierten Morgenmantel auf einem Feldbett liegen, als hätte man ihn aus großer Höhe heruntergeworfen. Aber ehe ich mehr erkennen konnte, führte mich Mrs. Nolan durch eine Tür in frische, von blauem Himmel überspannte Luft.
    Alle Hitze und alle Angst waren verflogen. Ich fühlte mich überraschend ruhig. Die Glasglocke schwebte einige Fuß über meinem Kopf. Ein Luftzug erreichte mich.
    »Es war doch, wie ich gesagt hatte, nicht wahr?« fragte Mrs. Nolan, während wir durch raschelndes, braunes Laub nach Belsize zurückgingen.
    »Ja.«
    »Und so wird es immer sein«, sagte sie mit fester Stimme. »Siewerden dreimal in der Woche eine Schockbehandlung bekommen – dienstags, donnerstags und samstags.«
    Ich holte tief Luft.
    »Wie lange?«
    »Das hängt«, sagte Mrs. Nolan, »von Ihnen ab und von mir.«
    Ich nahm das Silbermesser und schlug mein Ei auf. Dann legte ich das Messer hin und betrachtete es. Ich versuchte mich darauf zu besinnen, warum ich Messer so gern gehabt hatte, aber mein Verstand rutschte immer wieder aus der Schlinge des Gedankens und schwang sich wie ein Vogel hinauf in die leere Luft.
    Joan und DeeDee saßen nebeneinander auf der Klavierbank, und DeeDee brachte Joan die Begleitung zum Flohwalzer bei, während sie selbst die Melodie spielte.
    Wie traurig, dachte ich, daß Joan wie ein Pferd aussieht, mit diesen großen Zähnen und Augen wie zwei grauen, glotzenden Kieselsteinen. Nicht mal einen Jungen wie Buddy Willard konnte sie halten. Und DeeDees Mann lebte offenbar mit einer Geliebten zusammen und ließ seine Frau versauern wie eine alte, muffige Katze.
    »Ich habe einen Brie-hief bekommen«, sang Joan, die ihren Wuschelkopf zur Tür hereingesteckt hatte.
    »Wie schön für dich.« Ich sah nicht von meinem Buch auf. Seit die Schockbehandlungen nach einer kurzen Serie von fünf Terminen vorüber waren und ich Erlaubnis hatte, in die Stadt zu gehen, hing Joan wie eine große, atemlose Obstfliege immerzu bei mir herum – als könnte sie den Nektar der Genesung durch bloße Nähe aufsaugen. Man hatte ihr die Physikbücher und die Stapel verstaubter Spiralblöcke mit Vorlesungsnotizen, die in ihrem Zimmer herumgelegen hatten, weggenommen, und sie durfte das Gelände nicht mehr verlassen.
    »Willst du nicht wissen, von wem ?«
    Joan schob sich ins Zimmer und setzte sich auf mein Bett. Amliebsten hätte ich ihr gesagt, sie solle sich zum Teufel scheren, wenn ich sie sähe, liefe es mir kalt über den Rücken, aber das brachte ich nicht fertig.
    »Na schön.« Ich klappte das Buch zu und ließ einen Finger zwischen den Seiten stecken. »Von wem?«
    Joan zog einen blaßblauen Umschlag aus ihrer Rocktasche und wedelte neckisch damit.
    »So ein Zufall!« sagte ich.
    »Was meinst du mit Zufall?«
    Ich ging zu meiner Kommode, nahm einen blaßblauen Briefumschlag und winkte Joan damit zu, wie mit einem Taschentuch beim Abschiednehmen. »Ich habe auch einen

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