Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
Bischof Bertanis Quartier kam. Was wisst Ihr über diesen Besucher?«
»Nur, dass er mit Bertani gestritten hat. Oder eine schlechte Nachricht für ihn hatte. Jedenfalls war Bertani danach viel übler gelaunt als vorher.«
»Ganz sicher?«
»Ja. Er murmelte verärgert etwas vor sich hin, was, konnte ich nicht verstehen. Aber sein ganzer Ausdruck war der eines Menschen, der soeben eine unerfreuliche Begegnung hatte.«
Sandro holte etwas aus seiner Kutte. »Kennt Ihr dieses Symbol?«
Sie musste sich sehr beherrschen, um nicht zusammenzuzucken oder sich sonstwie zu verraten. Natürlich kannte sie das Symbol. »Nein«, sagte sie. »Ich habe es nie gesehen.«
»Danke.« Er steckte es wieder ein und zog etwas anderes hervor. »Diesen Dolch erkennt Ihr wieder?«
»Es ist meiner.«
»Ihr hattet ihn bei Euch, als Ihr festgenommen wurdet.«
»Ich trage immer eine Waffe bei mir. Zum Schutz vor Trunkenbolden und Räubern.«
»Ihr seid wehrhaft.«
»Ja«, sagte sie, »ich bin wehrhaft.«
»Und Ihr seid geschlagen worden.«
»Ich bin geschlagen worden. Und ich habe ihn trotzdem nicht umgebracht.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Und jetzt?«, fragte sie. »Genügt es Euch etwa, dass ich sage: Ich war es nicht, und schon lasst Ihr mich frei? Oder beginnt jetzt der zweite Teil des Verhörs? Ich habe recht, nicht wahr? Ihr könnt mich nicht einfach gehen lassen.«
Er fuhr sich durch die Haare, kniff die Augen vor Übermüdung zusammen. »Nein, kann ich nicht.«
»Was bedeutet das?«, fragte Antonia. »Wieso darf sie nicht gehen? Und was heißt ›zweiter Teil‹?«
Carlotta lachte auf, aber es klang nicht belustigt, sondern wie eine Mischung aus Verachtung und Verzweiflung. »Was wohl? Tortur natürlich. Hast du auch nur einen Moment geglaubt, die Inquisition würde jemanden freisprechen?«
»Er ist nicht von der Inquisition.«
»Er ist ein Geistlicher auf der Suche nach der Sünde, also ist er ein Inquisitor, ganz egal, welchen Titel er trägt.« Sie wandte sich Sandro zu. »Ich werde gestehen. Natürlich werde ich gestehen, und zwar alles, was Ihr von mir verlangt. Und das wisst Ihr.«
Sie sahen sich an. Carlotta fand, dass er ein sympathisches Gesicht hatte: schmal, erschöpft, ehrlich. Er war keiner, der es sich einfach machte. Aber er würde nachgeben, da die meisten Menschen – sie selbst eingeschlossen – nicht aus Überzeugung oder Verblendung böse waren, sondern weil sie sich nicht der Anstrengung unterzogen, sich gegen die Macht des Bösen zu wehren. Man verlor, so einfach war das. In einer ungerechten Welt war es unmöglich, gerecht zu bleiben, ohne gefressen zu werden.
Antonia berührte ihn sanft am Arm. »Bruder Carissimi? Sagt mir, dass Carlotta sich irrt. Sagt mir, dass sie gehen kann, dass sie unversehrt bleibt. Ich bitte Euch.«
Er schwieg, und Carlotta sah ihm an, dass er sich dafür schämte.
Als die Zellentür aufging und eine Wache meldete, der Fürstbischof warte draußen, um ihn zu sprechen, zog sich Sandro langsam von Antonia zurück und ging hinaus. »Bruder Carissimi«, sagte Antonia, »Bruder Sandro, bitte!«
Er wandte sich nicht um. Antonia sah ihm nach, bis die Tür wieder ins Schloss fiel.
Fürstbischof Madruzzo sah aus wie ein großer, schwerer Hund, den man gezwungen hatte, sein Plätzchen hinter dem Ofen zu verlassen, um einen viel zu langen Spaziergang in der Kälte zu machen. Eingehüllt in seinen prunkvollen Mantel, saß er allein im schlichten Amtsraum des Hauptmanns und zog ein beleidigtes Gesicht. Sandro hatte ihn nicht wiedergesehen, seit er von ihm zum Visitator berufen worden war. Der Weg zum Castello war steil und lang, und Sandro hatte immer Besseres zu tun gehabt, als Berichte abzuliefern.
Hauptmann Forli wartete vor dem Raum auf Sandro. »Tja, Carissimi, scheint, dass Ihr Ärger bekommt.«
»Erstens«, erwiderte Sandro, »werdet Ihr mich mit Bruder Carissimi oder mit Bruder Visitator ansprechen. Und zweitens werdet Ihr Euch verständlicher ausdrücken.«
»Aber gerne, Carissimi «, sagte Forli und schnalzte mit der Zunge. »Zuerst verhaftet Ihr den falschen Mann, dann spielt Ihr den Papa für dieses Mädchen, anschließend behandelt Ihr die Konkubine wie eine Prinzessin, und heute habt Ihr es mit einer zweiten Leiche zu tun. Erstochen wie Bertani.«
Sandro schloss kurz die Augen. »Wer ist es?«
»Ein Prälat natürlich wie Bertani.«
Sandros betonte jedes Wort. »Wie ist sein Name?«
»Gaspar de Cespedes. Er wurde in seinem Quartier schräg gegenüber
Weitere Kostenlose Bücher