Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
Königs.«
»Dann ist diese Kassette diejenige, mit der Villefranche anreiste, um seine laufenden Kosten zu decken«, sagte Sandro. »Die andere Kassette, die mit den Dukaten und Gulden, wurde ihm erst in Trient übergeben.«
»Das war auch meine Vermutung, und darum wollte ich Euch gestern die Kassette zeigen. Nur Euch, wohlgemerkt. Der andere, de Soto, ist einer der wichtigsten Delegierten, somit wäre es denkbar …«
»… dass er Villefranche bezahlt hat.«
Forli nickte. »Kurz nachdem ich Villefranches Quartier verlassen hatte, ist de Soto dort mit einigen meiner Männer aufgetaucht und hat alles durchwühlt, so als würde er etwas Bestimmtes suchen.«
»Nun, Ihr wart glücklicherweise schneller.«
»Trotzdem muss ich die Kassette gleich wieder verstecken. Ihr ahnt nicht, was da draußen vorgeht: De Soto hat die Kontrolle über den größten Teil der Wache übernommen, er war im Atelier der Benders, suchte das debile Mädchen, hat den ganzen Palazzo zusammengetrieben, redet vom Teufel.«
»Glaubt Ihr das?«
»Ich bin ein einfacher Mann«, sagte er. »Schon als Kind, als ich auf dem Schoß meiner Mutter saß, hat sie mir erzählt, dass es vom Teufel Besessene gibt. Daran glaubt hier fast jeder.« Er spuckte in eine Ecke. » Fast jeder. Nein, ich glaube nicht an Zauberei und dergleichen. Weil ich noch keiner Zauberei begegnet bin. Dafür vielen Feiglingen. De Soto will nur davon ablenken, dass der dritte Mord begangen wurde, während Carlotta da Rimini im Kerker saß. Spricht ja nicht gerade für ihn.«
Sandro schlüpfte in die faltenreiche Kutte und zog sie an seinem Körper zurecht. »Der große de Soto hat immer recht. Das wird Euch noch zu schaffen machen, Hauptmann. Luis ist nicht der Mensch, der auf halber Strecke umkehrt. Ich kenne ihn seit einigen Jahren. Mir ist kein Fall bekannt, in dem er einen Irrtum zugegeben hätte.«
»Das sind die größten Feiglinge.«
»Und die größten Verbrecher. In Luis’ Logik wird der Mord an Villefranche ihn dazu zwingen, seine Geschichte vom Teufel weiterzuspinnen. Die Fälle von Besessenheit werden sich, solange der wirkliche Mörder nicht gefunden ist, schnell häufen, glaubt mir.«
»Ihr übertreibt, Carissimi. Die Lage ist ruhig.«
»Sagtet Ihr nicht selbst, die Trienter glauben an Zauberei und Teufelswerk? Bis die Leute merken, was los ist, ist es zu spät, da sind sie schon mittendrin.«
»Der Fürstbischof und der Kaiser werden de Soto seine Grenzen aufzeigen.«
»Der Kaiser gilt als abergläubisch. Im Deutschen Reich und in Spanien, wo Karl V. regiert, erfreut sich die Inquisition kräftiger Unterstützung. Was den Fürstbischof angeht: Haltet Ihr sein Rückgrat für so stabil, dass er Kaiser und Papst die Stirn bietet?«
Forli stemmte die Hände in die Hüfte. »Auch ein de Soto kann nicht eine ganze Stadt unter seine Kontrolle bringen, dabei bleibe ich. Aber für Carlotta da Rimini und das Mädchen und die Benders sieht es übel aus. Wo habt Ihr sie versteckt?«
»Ich bin und bleibe der Einzige in Trient, der weiß, wo sie sind, denn ich bin der Einzige, dem Luis derzeit nichts anhaben kann. Alle Probleme wären mit einem Schlag gelöst, wenn ich den Mörder stellen könnte.«
Es war zum Verrücktwerden, dachte Sandro. Geldkisten, Ernennungsurkunden, ein Säufer, ein Lustknabe, die Auswahl der Opfer, ein eingeritztes Symbol bei Bertani, Drohungen und Bestechungen: Hinweise über Hinweise, aber jeder einzelne nur eine winzige Scherbe, die derart eingepasst werden musste, dass alle zusammen am Ende ein Bild ergaben, von dem niemand ahnte, wie es aussehen würde.
Plötzlich hörten sie Stimmen, aufgeregte Rufe, die vom Domplatz kamen. Forli öffnete den Laden. Aus dem Dom ergoss sich ein Sturzbach geistlicher Soutanen, die in alle Himmelsrichtungen fluteten.
»Was ist da los?«, fragte er.
Sandro blickte mit ihm auf den Strom der Delegierten. »Es hat angefangen«, sagte Sandro.
Etwas ging um in Trient. Die Straßen waren leerer als sonst, die Frauen unterhielten sich nicht mehr von Fenster zu Fenster, die Wachsoldaten wirkten angespannt. Die Menschen sprachen leiser, ihr Blick war aufmerksamer, es gab keine Gelassenheit mehr.
Etwas ging um in Trient. Die Nervosität schlich durch die Gassen. Manche meinten, die Inquisition stehe vor den Toren, andere wussten, der Papst werde stündlich erwartet, und wieder andere glaubten, das Interdikt werde über die Stadt verhängt, alle Messen verboten, die Beichten nicht mehr abgenommen, Ehen
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