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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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nicht.
    Sandro schlug die Augen auf. Er fühlte sich, als sei er von einer vierspännigen Kutsche überfahren worden. Er spürte zwölf, fünfzehn, zwanzig Knochen, aber er war froh über jeden einzelnen Schmerz. Sein Körper war, obschon zugedeckt, so kalt, als wäre er eine Weile tot gewesen. Aber er lebte. Soweit er es beurteilen konnte, war er sogar unverletzt. Vor allem das Fehlen einer Wunde zwischen den Schulterblättern beruhigte ihn ungemein.
    Das war die beste Nachricht des Tages.
    Die schlechte war, dass er nicht wusste, wo er sich befand. Er lag auf einer Pritsche, die mit einer Decke und reichlich Stroh darunter gepolstert war. Die beiden Fensterläden waren geschlossen, aber durch Löcher und Ritzen drang genügend Licht, um die Größe des Raums einzuschätzen, und genügend Lärm, um die Geschäftigkeit eines ganz normalen Trienter Tages zu erkennen.
    Er schlug die Decke zurück und bemerkte, dass er nackt war. Zwar gab es einen Stuhl im Raum, doch sein Gewand hing nicht über der Lehne. Als Sandro aufstehen wollte, schwindelte ihm ein wenig, und er brauchte ein Dutzend Atemzüge, bis er seinen Beinen vertrauen konnte. Der Boden war rau und eiskalt.
    Als er den Fensterladen öffnete, war ihm der beruhigende Anblick eines vertrauten Geländes vergönnt, des Domplatzes, und einigen Passanten des Domplatzes war der Anblick von Sandros Körper vergönnt: Eine junge Frau traute ihren Augen nicht, und zwei Soldaten krümmten sich vor Lachen.
    Sandro sprang sofort zur Seite, schnappte sich die Decke und schlang sie sich um die Hüften.
    Er befand sich also im Polizeigebäude, dort, wo auch sein Amtsraum war, nur in einem anderen Trakt.
    Es dauerte nicht lange, bis Hauptmann Forli hereinkam. Über seinem linken Arm hingen Sandros Ordenstracht und weitere Kleidungsstücke, in seiner Rechten balancierte er eine kleine, hässliche Kiste, die er auf dem Stuhl abstellte.
    »Dass Ihr erwacht seid, hättet Ihr auch auf diskretere Art mitteilen können«, sagte Forli. »Glücklicherweise ist niemand auf dem Platz in Ohnmacht gefallen.«
    Er warf Sandro die Gewänder zu und schloss den Fensterladen. »Der Karneval kommt erst nächstes Jahr wieder«, rief er den Schaulustigen zu.
    Einen Augenblick lang kehrte Stille ein. Forli stand, die Hände in die Hüften gestützt, vor Sandro. Wieder einmal kaute er auf etwas herum, sein Blick war allerdings weniger abfällig als sonst.
    »Was ist, wollt Ihr Euch nicht anziehen, Carissimi?«
    »Wart Ihr das im Dom?«
    Forli grinste. »Tut mir leid, aber wenn man mich schlägt, muss man auch mit dem Widerhall rechnen, und der hat es in sich. Zehn Stunden Tiefschlaf.« Forli küsste seine Faust. »Mein zweitbestes Stück.«
    »Euer zweitbestes Stück hätte mich beinahe umgebracht.«
    »Dann könnt Ihr Euch vorstellen, was mein bestes Stück vermag.«
    Sandro verdrehte die Augen. Unfassbar, mit welchen Irren man es hier zu tun hatte. Er warf seine Kleidungsstücke auf das Bett und begann, sie mit ruppigen Bewegungen zu sortieren.
    »Offenbar«, erwiderte Sandro missgelaunt, »ist das Gehirn nicht Euer drittbestes Stück. Hättet Ihr Euch nicht zu erkennen geben können?«
    Forli lachte. »Ihr habt es geschafft, mir einen Schlag zu verpassen, also erlaube ich Euch ein paar Frechheiten, für die jeder andere bluten müsste. Ich wollte Euch im Dom einen Schreck einjagen, das ist alles.«
    Sandro hatte genug von diesem unreifen Geschwätz eines hyperpotenten Schwertträgers.
    Er schlüpfte in seine Unterwäsche. »Verratet Ihr mir bitte, weshalb Ihr letzte Nacht in den Dom gekommen seid?«
    »Wir haben das Quartier Villefranches durchsucht und dies gefunden.« Er wies auf die Kassette, öffnete sie, griff hinein und ließ einen klingenden Münzregen in die Kassette zurückrieseln.
    Sandro nahm eine der Münzen und betrachtete sie näher.
    »Venezianische Dukaten bilden die untere Schicht«, erklärte Forli. »Darüber eine Schicht mit Gulden der Eidgenossenschaft. Zusammen ein kleines Vermögen.«
    Die Münzen sahen allesamt aus wie frisch aus der Prägung, doch die Kassette war alt, verschrammt und schlecht beschlagen. Vor allem war sie hässlich und jammerte beim Öffnen und Schließen wie ein Todkranker.
    »Die gehörte mit Sicherheit nicht Villefranche«, sagte Sandro. »Für eine schnörkellose, wurmstichige Geldkassette war er viel zu blasiert.«
    »Wir haben eine zweite Kassette gefunden, kostbar gearbeitet. Die darin enthaltenen Münzen tragen das Konterfei des französischen

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