Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
versündigen. Eine fatale Lage, ein Dilemma – und der vortreffliche Hintergrund für ein Bühnenstück von geradezu altgriechischen Dimensionen.«
Antonia, die sich auf diesen Auftritt gefreut und darauf bestanden hatte, dass nicht Sandro, sondern sie ihn inszenieren durfte, stand auf und machte ein paar theatralische Gesten.
»Erster Akt, Auftritt Speck und Salzhering. Die beiden sind Gegner, der eine ein überzeugter Protestant, ein Feind der Päpste, der andere ein überzeugter Altgläubiger, ein Jesuit, der den Päpsten dient; der eine würde Rom am liebsten vernichten, der andere möchte es noch mächtiger machen, der eine verachtet Mönche, der andere ist ein Mönch. Und beide haben einen Namen zu verlieren, beide sind Diplomaten, denen der Ruf vorauseilt, geschickte Rhetoriker zu sein. All das spricht dafür, dass sie unbarmherzig gegeneinander kämpfen werden.«
Antonia zog eine kurze Weidenrute hervor und hielt sie an den beiden Enden fest. »Gegensätzlicher geht es nicht. Matthias am einen Ende der Weltanschauung, Luis am anderen Ende. Doch siehe da …« Sie bog die Weidenrute, bis sie sich an den Spitzen berührte. »Je weiter die Enden auseinanderliegen, umso größer ist die Möglichkeit, dass sie sich treffen. Ihr beide, du und Luis de Soto, hattet dasselbe Problem, also habt ihr euch zusammengetan. Während ihr für die Welt theologische Dispute ausfochtet und Kompromisse aushandeltet, während ihr also den Anschein erwecktet, die vom Kaiser gewünschte Vereinigung voranzutreiben, habt ihr hinter den Kulissen gemeinsam dagegen gearbeitet. Ein raffinierter Plan: Eine doppelte Penelope, die im Schutz der Nacht immer wieder das Brautkleid zerstört, das sie im Licht des Tages gewoben hat, und damit die ungeliebte Heirat abwendet. Wer von euch kam auf die geniale Idee?«
»Das war ich.« Matthias schmunzelte. »Ich habe de Soto, kaum dass ich von seiner Ernennung zum Delegierten erfuhr, einen vertraulichen Brief geschrieben.«
»Gratuliere, Salzhering. Ganz nebenbei habt ihr auch verhindert, dass einer von euch bei seinem Dienstherren in Ungnade fällt, denn keiner von euch verliert bei diesem Plan, sondern beide gewinnen. Ebenso der Herzog und der Papst, denen niemand vorwerfen kann, sich nicht angestrengt zu haben.«
Matthias erhob sich langsam und applaudierte, zuerst gemächlich, dann immer schneller und lauter werdend. Sie ließ sich darauf ein und verneigte sich.
»Eine beeindruckende Leistung, meine Liebe.«
»Oh, das war noch gar nichts, mein Lieber. Willst du nicht wissen, wie wir darauf gekommen sind? Mit ›wir‹ meine ich Sandro und meine Wenigkeit. Ihr beiden Intriganten wart sehr gut, wirklich. Euer bester Schutz war, dass allein die Vorstellung, ihr könntet Hand in Hand arbeiten, so abwegig ist, dass niemand auf diesen Gedanken kommt. Vielleicht waren es die unterschiedlichen Münzen in Villefranches Schatzkiste, die mich auf die Fährte brachten. Die venezianischen Münzen stiftete Luis de Soto, denn er reiste aus Süden an und durchquerte die Republik Venedig; die eidgenossenschaftlichen waren von dir, denn du kamst von Nordwesten, wolltest jedoch aus verständlichen Gründen keine württembergischen Münzen verwenden. Und dann die Sache mit Toulouse … Da hast du ein wenig geschludert, mein Lieber.«
»Inwiefern?«
»Du selbst hast zugegeben, Villefranche überredet zu haben, meinem Vater und mir den Auftrag wieder zu entziehen. Doch wann hast du mit Villefranche gesprochen? Vor der Sitzung saß er mit Sandro beisammen, als du noch bei mir im Atelier warst. Nach der Sitzung saß er mit Luis de Soto zusammen, und unmittelbar danach kam die Nachricht, der Auftrag sei zurückgezogen. Und als Sandro mir erzählte, dass ihr beide, du und de Soto, zu spät gekommen seid …«
»Sehr gut«, lobte er. »Ich habe de Soto tatsächlich vor der Sitzung gebeten, diese kleine Zusatzbedingung bei Villefranche anzubringen. In erster Linie ging es uns selbstverständlich darum, dass er sich weigern sollte, irgendwelchen Reformen zuzustimmen. Dafür hat er viel Geld bekommen, mit dem er Kunstschätze kaufen wollte.«
Sie nickte. »Wer so viel Geld bekommt, erfüllt gerne eine kleine Zusatzbedingung, zumal sie ihn nicht viel kostete. Auftritt zweiter Akt, erster Mord. Du versuchst, Bertani zu überreden – vermutlich zu bestechen -, dass er seine extremen Positionen bezüglich einer Kirchenreform aufgibt. Er ist natürlich überrascht, dass derjenige, den er als Bündnispartner angesehen
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