Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
umgesetzt, Antonia war auf dem Weg, und er hatte noch genug zu tun, um die Falle aufzubauen. Eigentlich war es ein guter Plan, zwar voller Risiken und Unwägbarkeiten, aber der beste Plan, den sie unter diesen Umständen hatten entwerfen können.
Während er das Atelier verließ und durch den Palazzo Rosato ging, kam ihm wieder das Hurensymbol in den Sinn. Sie hatten beide nicht erklären können, wieso Bertani es auf der Haut trug und die beiden anderen Leichen nicht. Auch die Gründe für den Tod von Cespedes und Villefranche blieben im Dunklen. Waren sie zu einer Gefahr für Luis und Matthias geworden?
Ihm fiel ein, dass Villefranche und Cespedes am Tag der Konzilseröffnung miteinander gesprochen hatten. Nur ein paar Schritte von Rowlands und Matthias entfernt stehend, hatten sie irgendetwas in der Hand gehalten. Dieses Beisammenstehen war die einzige Begegnung, die einzige Gemeinsamkeit, die Sandro bei ihnen entdecken konnte. Seltsam, dass er sich gerade jetzt an dieses vermutlich unwichtige Detail erinnerte.
Er war am Fuß der Treppe angekommen, als sich plötzlich von hinten eine Hand auf seine Schulter legte. Carlotta.
»Was, in aller Welt, tut Ihr hier «, rief er mit unterdrückter Heftigkeit. »Ihr solltet in der Hütte bleiben! Wo kommt Ihr überhaupt her?«
Sie deutete auf den Eingang zum Keller. Ihr Atem ging unregelmäßig, und ihm fielen die Risse und Flecken an ihrem Kleid auf.
Sie zog ihn in das schwarze Loch des Kellereingangs, führte ihn durch die Dunkelheit und beantwortete keine seiner Fragen. Vor einem Haufen modriger alter Möbel blieb sie stehen. »Dahinter ist ein Geheimgang. Ich war dort, ich war am Palazzo Miranda, bei Innocento del Montes Gemach.« Sie erzählte schnell, sehr schnell, ihre Stimme überschlug sich, setzte bisweilen aus.
»Immer der Reihe nach«, mahnte er. »Erzählt von Anfang an.«
Sie hielt sich an seine Aufforderung, gab das Gespräch zwischen Luis und Innocento wieder, und einige Male fragte er nach, um alles genau zu verstehen. Was sie sagte, war eine Überraschung für ihn. Nicht so sehr die Sache mit seiner Absetzung, damit rechnete er schon seit Tagen, aber dass es ausgerechnet jetzt passierte, machte alles viel schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich. Was ihn wirklich verblüffte, war Carlottas Geständnis, dass sie Innocento del Monte beziehungsweise den Papst hatte töten wollen.
»Dann wart Ihr das?«, unterbrach er sie. »Die Gestalt im schwarzen Mantel, die Verfolgungsjagd neulich Nacht … Wieso? Welchen Grund habt Ihr?«
»Das alles spielt jetzt keine Rolle. Versteht Ihr, wir müssen aus Trient fliehen, wir alle. Wo ist Antonia?«
»Unterwegs, sie … Es ist zu spät, wir erreichen sie nicht mehr. Sie ist schon bei Matthias.«
»Dann gehen wir dorthin und holen sie ab.«
»Man wird sie bereits verhaftet haben.«
Über ihr Gesicht zog eine Wolke aus Zorn. »Ihr gebt Antonia auf? Wollt Euch wie eine Ratte im Keller verstecken? Feigling«, rief sie und wandte sich ab.
Er hielt sie am Arm fest, und als sie sich aus seinem Griff befreien wollte, packte er fester zu. »Wie komme ich durch die Gänge zu Innocento?«
»Zeitverschwendung«, erwiderte sie gereizt. »Habt Ihr nicht zugehört? Er hat vergeblich versucht, Euch zu helfen, das habe ich doch eben erzählt. Er wird auch Antonia nicht helfen können.«
»Das bleibt abzuwarten. Ich habe vor, Luis de Soto derart abzulenken, dass Innocento Erfolg haben könnte.«
»Meinetwegen. Ich kann Euch zu Innocentos Quartier führen.«
»Nein, ich gehe allein.«
Sie erklärte ihm den Weg. Da er durch seine jahrelange Arbeit für Luis darin geübt war, vieles im Kopf zu behalten, was andere sich notieren mussten, konnte er sich die Wegstrecke voller Abzweigungen problemlos merken.
»Bevor ich zu Innocento gehe, habe ich noch drei Fragen zu klären, und dazu muss ich durch die halbe Stadt schleichen.«
»Muss das jetzt sein?«
»Die Fragen sind mir eben erst eingefallen. Ich habe eine Theorie und … Die erste Frage muss ich einem Säufer stellen, und die zweite einem jungen Drucker.«
Sie begriff nicht, worauf er hinauswollte. »Und die dritte?«
»Die richtet sich an Euch. Ihr müsst mir jetzt alles erzählen, was Ihr über Bischof Bertani wisst.«
Sein Kopf lag auf der Tischplatte, eigentlich nicht direkt auf der Platte, sondern auf einer Häkeldecke, die weich war wie Teig. Er schmatzte. In seinem Mund breitete sich der wohlige Geschmack von Schmalzgebäck aus, das ihm in zahlreichen
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