Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
sein lassen. Und niemand, Liebes, will aus vollem Herzen die Apokalypse als Endloserlebnis, das kann man mir nicht erzählen. Und mit den Männern ist es das Gleiche. Zu viele Männer verderben den Appetit. Ich muss es wissen, ich bin Konkubine.«
Carlotta lächelte sie an. »Nun, was ist? Ich sehe dir doch schon die ganze Zeit über an, dass du nur auf eine Gelegenheit wartest, mit mir über Männer zu sprechen. Es liegt in deinen Augen, Liebes, sie erinnern mich an die Augen einer Katze, bevor sie die Maus fängt. War die letzte Nacht mit diesem – was war er noch gleich? – diesem Bildhauer ein Erfolg? Oder haben die Steinmetze, die nebenan den Brunnen bauen, trotz des kalten Wetters ihre Oberteile ausgezogen?«
»Also wirklich, Carlotta.«
»Also wirklich, Carlotta!«, ahmte Carlotta sie im Tonfall einer alten Jungfer nach. »Ich bin empört! Wie kannst du so etwas nur sagen!«
Sie lachten und sahen sich mit dem Einverständnis von zwei Frauen an, die sich mochten.
»Da war ein Mönch im Dom«, sagte Antonia und zeichnete mit ihrem Schuh Muster in den Glasstaub auf dem Boden. »Er hat mir gut gefallen.«
Carlotta unterbrach augenblicklich ihre Suche nach dem Rock. Erschreckt sagte sie: »Du hast ihn doch nicht etwa angesprochen? Wie unvorsichtig von dir! Er könnte der Inquisition angehören oder …«
»Er ist kein Inquisitor. Außerdem haben wir nur über Glasmalerei gesprochen.«
»Glasmalerei, verstehe. War er noch angezogen, als ihr aufgehört habt, über Glasmalerei zu sprechen?«
»Du bist heute mal wieder spitz wie eine Nadel.«
»Und du bist heiß wie die Brenneisen, mit denen ihr das Glas schneidet. Kaum aus dem warmen Bett aufgestanden, schon wieder auf Beutefang. Hattest du schon einmal einen Mönch zum Liebhaber?«
»Nein.«
»Dann muss ich dir leider sagen, dass es da ein Problem gibt.«
»Welches?«
»Mönche dürfen nicht.«
»Na, das sagt die Richtige!«, wandte Antonia ein. »Geistliche sind deine häufigsten und liebsten Freier, das hast du selbst gesagt.«
»Nun ja …«
»Deswegen bist du doch nach Trient gekommen. Hier sind dieser Tage alle Prälaten zu finden, und du verdienst in sechs Wochen so viel wie in zwei Jahren in Rom. Das waren deine Worte.«
»Gewiss ist das der Grund meines Hierseins«, räumte Carlotta ein, wirkte aber wie eine Katze, die man am Milchbottich ertappt hat. »Aber zum einen bist du nicht ich. Ich muss nehmen, was kommt. So etwas ist kein Vergnügen, niemand macht so etwas gerne, das ist ein Mythos, den Männer erfunden haben. Und zum anderen reden wir in deinem Fall über einen Mönch. Mönche glauben noch an ihre Berufung. Bischöfe, Erzbischöfe und dergleichen sind Staatsmänner, und Staatsmänner halten sich nicht an die von ihnen aufgestellten Regeln und Gebote. Außerdem …«
»Du liebe Zeit, bis du deine Einwände allesamt vorgebracht hast, bin ich ohnehin im Greisenalter, und dann hat sich das Problem erledigt.«
Carlotta legte ihren Zeigefinger unter Antonias Kinn, wie sie es schon manchmal getan hatte, und sah ihr zärtlich lächelnd in die Augen.
»Liebes, ich will dir niemanden ausreden. Liebe diesen Mönch im Heu, räkele dich mit ihm auf einer Decke, im Regen, am Ufer der Etsch, unter einem Apfelbaum, beiße ihn, lasse dich beißen, sauge ihn aus, reiße ihn in Stücke, schreie dir die Seele aus dem Leib und mache all die anderen Dinge mit ihm, die dir so viel Spaß bereiten. Ich stelle es mir allerdings unbefriedigend vor, einen Mönch zu verführen. Wenn du scheiterst, ist es mindestens eine Blamage, wenn nicht sogar eine Gefahr, denn sittenstrenge Mönche sind wie die Pest. Und wenn du Erfolg hast, machst du dir hinterher Vorwürfe oder – was noch schlimmer ist – er macht dir Vorwürfe. Wenn du mich fragst: Vergiss ihn.«
Carlotta hob die Hände wie zum Stoßgebet. »Da ist er ja, der Rock! Zwischen dem Eisenoxyd und dem Schwarzlot, ein hervorragender Platz für einen feinen Ausgehrock. Künstlerhaushalt – der Vorhof der Hölle!«
Carlotta legte den Rock zufrieden über den Arm, zwinkerte Antonia zu und ging ins Nebenzimmer.
Das Thema Sandro Carissimi war damit wohl abgeschlossen. Antonia sah ein, dass Carlotta wahrscheinlich recht hatte. Der Mönch passte ohnehin nicht in das Muster, denn noch mit keinem anderen ihrer Liebhaber hatte sie sich über Glasmalerei unterhalten. Die Männer und die Kunst, das waren für sie zwei Blätter, die sich nie berührten, auch wenn sie vielleicht am gleichen Stamm hingen und vom
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