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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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auftürmten. Ein Blick von ihm zum Bett genügte, damit Carlotta sich stumm darauflegte und die Arme wie einen Heiligenschein über dem Kopf verschränkte.
    »Komm«, sagte sie, aber ebenso gut hätte sie »bleib weg« oder »stirb« sagen können. Bertani war ihr von diesem Moment an gleichgültig, er war nichts mehr. Kaum dass sie seinen Körper spürte, wie er sich auf sie legte. Zwischen seinen Stößen blitzte die Vergangenheit in ihr auf, die schönen Abende, als sie mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter am Strand spazierte und die Wellen beobachtete, die mit Wucht gegen die Klippen schlugen, ohne sie zerbrechen zu können. Diese Erinnerungen waren jedoch flüchtig wie Düfte, die man zu riechen meint, obwohl sie nicht da sind.
    Sie hatte bekommen, was sie von Bertani gewollt hatte, den Passierschein für den Inneren Ring um den Domplatz, der vom Tag des Konzils an für alle Bürger gesperrt sein würde, die kein solches Dokument besaßen. Damit käme sie an Innocento heran, damit war sie seinem Tod ein Stück näher gekommen.
    Sie presste die Faust auf den Mund und sah ins Feuer. Der Bischof hatte seinen Zweck erfüllt. Wenn es nach ihr ginge, könnte er Innocento vorausgehen und sterben.
    Jetzt, dachte sie, jetzt müsste er sterben.
     
    Er taucht die Hände ins Wasser der Schale ein. Sie zittern. Mit all seiner Willenskraft kann er sie nicht dazu bringen, mit dem Zittern aufzuhören, und das ärgert ihn. Er hat nicht mehr die Stärke wie früher. Das Alter überzieht alles wie die Kälte einer frostigen Nacht: die Kraft seiner Arme, den Atem in seiner Brust, die machtvolle Stimme, die in letzter Zeit rau geworden ist, die Lust zur Liebe, die Streitlust, die Hoffnung, ja, selbst die Gegnerschaft zum Papst. Alles gefriert langsam, stirbt ab, wird zur toten Fassade, so wie jene verschrumpelten Spätherbstfrüchte, die vom Eis eingeschlossen und konserviert werden. Junge Menschen ziehen sich vom Alter zurück und wenden sich anderen jungen Menschen zu, Frühlingskinder wie sie selbst. Das macht ihn wütend. Je älter er wird, umso wütender wird er auf das Alter, auf die Frauen und auf sich selbst.
    Als er die Hände aus dem Wasser hebt, bleibt ein schmieriger, gelblicher Film zurück, der von den Salben herrühren mag, mit denen Konkubinen sich einreiben, um lange genug schön zu bleiben. Noch so ein vergeblicher Kampf, den der Mensch führt, denkt er und hält für einen Augenblick inne. Er ist müde, die Nacht war anstrengend.
    Da sieht er einen roten Tropfen ins Wasser gleiten, sich entfalten, auflösen. Blut. Blut von einem seiner Finger. An einer Stelle ist die Haut eingeritzt, nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, nur ein Kratzer. Einer seiner Fingernägel hat die Wunde verursacht, er ist eingerissen, vielleicht bei einem seiner Schläge in das Gesicht der Konkubine.
    Er nimmt sich gerade vor, der Wunde keine weitere Beachtung zu schenken, als ihn von hinten ein Stoß trifft. Der Stoß tut nicht weh, aber etwas hat sich verändert. Er will sich umdrehen, es geht nicht. Er will schreien, doch statt seiner Stimme entströmt etwas anderes seinem Mund.
    Das Wasser der Schale färbt sich rot.

Erster Teil

1
    9. Oktober 1551,
zwei Tage vor Eröffnung des Konzils
     
    A ls Antonia aufwachte, schlief er noch. Er war Bildhauer und hatte einen Körper, als hätte er ihn sich selbst meißeln dürfen. Gestern hatte sie diesen Mann begehrenswert gefunden, ebenso am Tag davor, als sie ihn kennengelernt hatte. Er war Italiener – alle Bildhauer schienen Italiener zu sein -, und sie liebte Italiener. Sie waren viel interessanter als Deutsche oder Franzosen oder Spanier. Wenn Italiener eine Sünde begingen, eilten sie anschließend in die Kirche und ließen sich dort davon freisprechen. Furcht vor der ewigen Verdammnis und herrlichste Lebensfreude, Frömmigkeit und Sinnlichkeit, Gelassenheit und Erregung gingen Hand in Hand bei diesem Volk. Das Jahrhundert veränderte die Menschen der südlichen Länder schnell, denn es veränderte sich selbst mit rasender Geschwindigkeit, so als strebe es einer Blüte entgegen. Neuen Musikinstrumenten entlockte man neue Töne, die Menschen tanzten beherzter, trugen gewagtere Kleider, schrieben freizügige Verse. Allen voran die Italiener. Ein herrliches Volk zum Verlieben – und zum Lieben.
    Es war noch Nacht, der Tag bloß eine dünne, graue Ahnung am Horizont. Trotzdem musste sie sich ein bisschen beeilen, um rechtzeitig im Dom zu sein. Sie suchte im Dunkel des

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