Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
eigenen Ermittlungen anstellte, entweder weil er ein Versagen Sandros fürchtete – das auch auf ihn zurückfallen könnte – oder weil er sich einfach nicht zurückhalten konnte, den Meister zu geben.
»Nein«, sagte Sandro leise, ein bisschen demütig, »ich misstraue dir nicht.«
Luis atmete auf. »Dann ist es ja gut. Es würde mich äußerst betrüben, wenn dieser lächerliche Mord uns entzweien würde.«
»Davon kann keine Rede sein, Luis.«
Luis lächelte wieder. »Fein. Was das Buch angeht: Ich habe es studiert, weil ich dachte, dass ich dir damit helfen könnte. Der Arzt hat mir von dem Schild erzählt, oder besser gesagt, ich habe ihn auf Auffälligkeiten angesprochen, und er konnte angesichts meines Namens – natürlich kannte er mich – seine Diskretion nicht wahren. Sei nicht ärgerlich auf ihn.«
»Hatten wir nicht besprochen, dass ich allein ermittle?«
Luis hob abwehrend die Hände. »Bitte sehr! Wie du meinst! Ich werde mich nicht mehr einmischen. Ich habe es nur gut gemeint.«
»Das weiß ich.«
Luis setzte sich, schlug eines der Bücher auf und begann, sich Notizen zu machen. »Du wirst schon wissen, was du tust. Schließlich bist du ja mein Assistent. Übrigens«, sagte er, ohne mit dem Schreiben aufzuhören, »wirst du in dem Buch das entsprechende Symbol nicht finden.«
Klang da ein Hauch Genugtuung mit, oder bildete Sandro sich das nur ein?
Er wollte sich soeben von seinem Mitbruder verabschieden, als Aaron hereinkam. Der rundliche Junge war offensichtlich gerannt, denn er japste wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft.
»Bruder … Carissimi«, keuchte Aaron und hielt sich den Bauch. »Ich … habe Euch … Euch überall gesucht. Der Kardinal Innocento ist doch vorhin auf dem … Domplatz angekommen. Ich war da und … habe Münzen gesammelt, die er … in die Luft geworfen hat. Als er fort war, bin ich auf … auf der Suche nach weiteren Münzen über den Platz gegangen, und da habe ich …«
Bevor Aaron zeigte, was sich verborgen in seiner Kleidung befand, blickte er aus den Augenwinkeln auf Luis. »Sollen wir woanders hingehen?«
Sandros Blick ruhte auf dem Mitbruder, der sich über ein Buch beugte und sich uninteressiert gab.
»Nicht nötig«, sagte Sandro.
Aaron reichte ihm einen Dolch. Er war leicht und wenig kunstvoll. Die Klinge war schmal, aber nicht ganz so schmal wie die Klinge, mit der Bischof Bertani ermordet worden war. Dolche von dieser Machart waren nicht selten, jemand könnte ihn in dem Gewühl einfach versehentlich verloren haben, ohne dass das etwas zu bedeuten hatte. Andererseits war das Zusammentreffen von Dolchen und Geistlichen – insbesondere Geistlichen von der Bedeutung Kardinal Innocentos – derzeit mehr als bedrohlich.
»Gut gemacht«, lobte er Aaron.
»Das ist noch nicht alles. Diesen Zettel hier habe ich ebenfalls auf dem Domplatz gefunden. Nicht beim Dolch, aber vielleicht gibt es trotzdem einen Zusammenhang.«
Sandro hielt eine gedruckte Zeichnung in Händen. Auf der einen Seite war ein junger Mann abgebildet, der in einem Käfig stand und eine Peitsche schwang. Vor ihm hockte auf einem Pfosten ein Äffchen, das die Tiara trug. Eine äußerst spitze Anspielung auf Innocento, den früheren Affenwärter, und seinen Vater Papst Julius. Die Abbildung auf der Rückseite war abstoßend. Innocentos Körper hatte dort die Form einer Made und fraß sich durch einen Kuchen, der Ähnlichkeit mit dem Petersdom hatte.
Angewidert von solchen üblen Schmähschriften, die immer mal wieder kursierten, faltete Sandro das Papier und steckte es wortlos ein.
»Da ist noch etwas, Bruder Carissimi«, sagte Aaron. »Ein Zeuge hat sich gemeldet, der gesehen haben will, wie eine Person vorgestern Abend das Quartier des Bischofs betreten hat. Und das Beste ist: Er hat die Person erkannt.«
»Ein Mann oder eine Frau?«
»Das hat er mir nicht gesagt. Aber er weiß es.«
Das konnte der Durchbruch sein. Bei jeder Nachforschung gab es zwei kritische Phasen: Die erste Schwierigkeit bestand darin, den dünnen, fast unsichtbaren Faden zu finden, den man aufnehmen konnte. War das geschafft, kam oft eines zum anderen. Ein Indiz führte zum nächsten, so wie ein Mosaik, das teilweise fertiggestellt war, eine Ahnung vom vollständigen Bild gab und die weitere Arbeit erleichterte. Die zweite kritische Phase kam, wenn das Bild vollständig war, die Fäden alle aufgerollt waren, und man nun den Sinn dahinter, die Zuordnung, verstehen musste.
So weit war Sandro noch lange
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