Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
gegen diese Verbrecher, darum können sie sich fast ungehindert vermehren.«
Es war charakteristisch für die Inquisition, überall Ketzer und Zauberer am Werk zu sehen. Das gewöhnliche Verbrechen gab es nicht mehr, es wurde abgeschafft, in vorchristliche Jahrhunderte verbannt. In allem steckte der Teufel.
»Trient«, verbesserte Sandro ruhig, »liegt zwar in Italien, gehört jedoch zum Deutschen Reich. Und Kaiser Karl V. kann man in dieser Hinsicht ja wohl kaum Nachlässigkeit vorwerfen, ist er doch zugleich König von Spanien, Oberherr der Inquisition und damit der Feind aller Ketzer, Zauberer und Hexen.«
»In der Tat«, bestätigte Cespedes, spitzte die Lippen und blinzelte mehrmals. »Im Deutschen Reich allerdings, wo er auf Landesfürsten und Fürstbischöfe Rücksicht nehmen muss, schleicht sich die Ketzerei ein. Sind Euch beispielsweise die Fenster im Dom aufgefallen? Wenn Ihr sie Euch genauer betrachtet, werdet Ihr äußerst fragwürdige Abbildungen sehen.«
Sandro konnte seine Stimme jetzt nur noch mit Mühe im Zaum halten. »Ehrwürdiger Vater, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Bischof Bertani von einem Ketzer getötet wurde, waren seine Ansichten doch dermaßen freisinnig, dass Ihr ihn, wäre er Spanier, längst vor ein Inquisitionsgericht gestellt hättet. Wieso sollte ein Ketzer einen Ketzer umbringen, wo es den Ketzern doch darum geht, sich – wie Ihr sagtet – zu vermehren?«
Cespedes blinzelte und faltete die Hände so langsam, als sei dies ein Akt der Vereinigung.
»Ich denke«, sagte er an Luis gewandt, »wir haben alles Notwendige besprochen. Ihr werdet mich entschuldigen. Der Tag heute war anstrengend, und der morgige Tag wird eine Tortur.«
Nachdem er sich verabschiedet hatte, waren Sandro und Luis allein.
»War das nötig?«, fragte Luis. »Er wollte nur helfen.«
»Ich weiß«, sagte Sandro und trat näher an den Tisch, der von Schriften übersät war. »So wie du.«
»Richtig.«
»Wie ich sehe, hast du in einem Buch über Symbolik geblättert. Du kannst es mir jetzt geben, bitte.«
Luis presste kurz die Lippen zusammen, dann nahm er ein Buch auf, das separat von den übrigen auf dem Tisch lag. Es war aufgeschlagen, doch er klappte es zu und überreichte es Sandro.
»Du hast es also erkannt? Ich habe es für einige Nachforschungen gebraucht. Für meine Rede.«
Sandro wusste sofort, dass das nicht stimmte. Er arbeitete lange genug mit Luis zusammen, um einschätzen zu können, welche Art von Fakten er für eine Rede vor dem Konzil brauchte und welche nicht. Im Rahmen einer Kirchenreform würde man die Eucharistie diskutieren, das Weihesakrament, die Autorität des Papstes, die Krankensalbung, die Lehre vom Messopfer, die Berechtigung von Mönchs- und Nonnenorden und dergleichen. Sandro konnte sich nicht vorstellen, dass Zeichensymbolik hierbei irgendeine Bedeutung haben sollte.
»Sag mir ganz ehrlich, Luis, warum du dieses Buch studiert hast.«
Vielleicht wunderte Luis sich über den forschen Ton in Sandros Stimme, denn er betrachtete befremdet Sandros Gesicht, bevor er eine schelmische Miene zog und antwortete: »Verdächtigst du mich etwa?«
»Um anzunehmen, ich könnte dich wegen dieses Buches verdächtigen, musst du wissen, dass ein Symbol bei dem Mord eine Rolle spielt. Woher, frage ich dich, hast du diese Information?«
»Eine simple Schlussfolgerung: Du wirst wohl kaum nach einem Buch über Zeichensymbolik fragen, wenn dem nicht irgendeine Bedeutung zukäme.«
»Du weichst mir aus.«
»Das ist meine Arbeit, Sandro, mein Dasein. Rhetoriker verbringen ihr Leben damit, Fakten auszuweichen und stattdessen …«
»Du weichst mir schon wieder aus«, unterbrach Sandro.
»Wieso verhörst du mich?«
»Ich habe eine einzige Frage gestellt, das ist kein Verhör.«
»Kaum einen Tag im Amt – ein Amt, das du auf meine Empfehlung bekommen hast -, und schon misstraust du sogar denen, die dir am nächsten stehen. Zuerst schließt du mich aus, und nun stellst du mir Fragen. Mir! Fragen! Was, bei allen Heiligen, ist nur mit dir los?«
»Es tut mir leid, wenn ich dich gekränkt habe. Ich versuche nur, meine Arbeit zu machen.«
»Sag mir ins Gesicht, Sandro, ob du es für möglich hältst, dass ich etwas mit dem Mord zu tun habe. Misstraust du mir? Ich muss das wissen. Es ist für unsere künftige Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung.«
Sandro hatte keinen Moment daran gedacht, Luis zu verdächtigen. Das wäre ja absurd. Aber er glaubte, dass Luis nach wie vor seine
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