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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Flugblatt.«
    »Ihr vermutet …«
    »Dass Bertani das erste Opfer war und dass Ihr das zweite werden sollt.«
    »Schwer zu glauben. Bertani und ich haben nicht die gleichen Feinde. Wie auch? Er war ein politischer Geist, und ich habe überhaupt keinen Geist. Er war ein Reformer, und ich bin nichts. Ich weiß gerade noch, wie Konzil geschrieben wird, während es für Bertani das ganze Leben bedeutete.«
    Innocento war sehr ehrlich, was seine Bildung und seine Herkunft anging. Er versuchte erst gar nicht, etwas vorzutäuschen, das er nicht war. Er war ein Nepos, das lateinische Wort für Neffe, mit dem alle Günstlinge der Päpste bezeichnet wurden, gleichgültig, ob es sich um Neffen, Söhne oder andere Favoriten handelte. Und Innocento wusste sehr wohl, dass er ein Nepos war.
    »Dennoch«, beharrte Sandro. »Eure Stellung ist nicht zu unterschätzen, ob Ihr das wollt oder nicht. Und wenn Ihr Euch die grässlichsten Lumpen anzieht: Ihr seid gefährdet und solltet immer Gefolge um Euch haben. Nachts allein durch Trients Gassen zu laufen, ist eine Einladung für jeden Mörder.«
    »In Roms Trastevere bin ich jede Nacht durch die Gassen gelaufen, umgeben von Schatten, und habe überlebt. Ich brauche dieses Stückchen Freiheit.«
    »Das Trastevere konntet Ihr einschätzen. Ihr kanntet jedes Gesicht. In Trient läuft jemand herum, dessen Gesicht wir nicht kennen. Nur seine Absicht ist uns bekannt. Sollte Euch etwas geschehen …«
    »Dann würde es mehr falsche als echte Tränen geben. Die meisten würden auf meinen Leichnam pinkeln, wenn niemand zusähe, und dabei herzlich lachen.«
    »Sollte Euch etwas geschehen«, begann Sandro seinen Satz von Neuem, »wären die Folgen unübersehbar. Das Konzil könnte scheitern, zumindest unterbrochen werden. Falls also jemand Interesse daran hat, dieses Konzil zu sprengen, dann wärt Ihr das ideale Opfer. Ihr und Bertani. Er war der maßgebliche Betreiber dieser Versammlung von Kirchenvätern, und Ihr seid … seid derjenige, der dem Heiligen Vater ungewöhnlich nahe steht.«
    »Das Konzil ist mir egal«, schnaubte Innocento. »Von Politik verstehe ich nichts und will auch nichts verstehen.«
    »Aber vom Überleben, Innocento del Monte, versteht Ihr etwas, nicht wahr? Vermutlich mehr, als alle anderen Delegierten aus vornehmen Familien zusammengenommen. Das Konzil ist eine Sache, und wenn es Euch nicht interessiert, bitte sehr. Aber Euer Leben sollte Euch schon interessieren und genug wert sein.«
    Sandro war heftig geworden, und Innocento sah ihn zum ersten Mal lange und direkt an. Er hatte Augen, die – Sandro fand kein anderes Wort dafür – traurig wirkten, irgendwie einsam, im Stich gelassen.
    »Mir jedenfalls«, ergänzte Sandro in mildem Ton, »war Euer Leben genug wert, damit ich mein eigenes Leben dafür aufs Spiel gesetzt habe.«
    Innocento war jetzt völlig ernst. »Worum bittet Ihr mich?«
    »Nur darum, Acht auf Euer Leben zu geben. Es ist bedroht.«
    »Keine Nachtspaziergänge mehr?«
    »Allenfalls in Begleitung einer Wache.«
    »Ich bin ohne Gefolge gekommen.«
    »Ich werde mit Hauptmann Forli sprechen.«
    Innocento lächelte leicht und gab Sandro erneut die Hand. »Ich verspreche es«, sagte er. »Aber nur, weil Ihr es seid, Sandro Carissimi. Ihr seid nicht wie die anderen. Unabhängig davon, dass Ihr mir das Leben gerettet habt: Ich mag Euch.«
    »Nun, ich bin der Diener Eures Vaters.«
    »Trotzdem«, sagte Innocento, »ich mag Euch trotzdem.«

8
    Er hatte sich vorgenommen, Antonia zu überraschen und sich von einer Seite zu zeigen, die sie nicht von ihm kannte – und die er im Übrigen selbst nicht von sich kannte.
    Im Kamin prasselte ein üppiges Feuer, und Kerzen tauchten das kleine Speisezimmer in ein warmes gelbes Licht. Dann und wann drang eine Duftwolke aus der Küche zu ihnen: eine Brühe aus Rindermark, ein knuspriges Huhn, Fleischkuchen, zarte Mehlfladen, in Butter geschwenkte Rüben, süße Grießschnitten mit Kompott … Roter Wein mit violetten Anklängen schimmerte in zwei Kristallgläsern und der Karaffe. Im Raum verteilt lagen Bücher von Paracelsus sowie der Till Eulenspiegel und ein wenig Poesie. Matthias ließ sich diesen Abend etwas kosten. Neun Kerzen – er hatte sie gezählt – sowie Huhn, Wein und Bücher waren nicht billig gewesen, aber für diesen Luxus hatte er Gott in seinem Abendgebet um Verzeihung gebeten. Wenn Matthias sich etwas vornahm, dann machte er es richtig.
    Immer wenn Matthias’ Diener das Essen auftrug, schwiegen sie,

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