Die Glaszauberin pyramiden1
sicher sein kannst, nicht belauscht zu werden.«
»Ja, Isphet. Danke.« Und über den in meinem Kopf herumwirbelnden Gedanken und Fragen lag ein Gefühl stiller Freude. Sie vertrauten mir.
»Gut«, sagte Isphet. Sie streckte den Arm aus und ergriff meine Hand. »Morgen früh werde ich mit deiner Unterweisung beginnen. Druse und die anderen drei in der Werkstatt, die nicht zu uns gehören, werden mit einem langen und komplizierten Auftrag in eine andere Werkstatt geschickt werden müssen, denke ich. Raguel?«
Diese schaute mit toten Augen von ihrem Schoß hoch.
»Raguel, ich werde dich morgen früh brauchen, und ich glaube, Yaqob auch.«
Isphets Miene wurde traurig.
»Es ist Zeit, sich von dem Geist von Raguels Kind zu verabschieden und ihm alles Gute zu wünschen. Yaqob, deine Anwesenheit wird der Zeremonie Kraft und Stärke verleihen und Tirzah auch, denn sie hört die Stimmen deutlich und könnte sich vor dem fürchten, was sie morgen erleben wird.«
7
In dieser Nacht machte ich kaum ein Auge zu. Ich hatte mittlerweile meine eigene Pritsche, aber ich bin davon überzeugt, daß mein ständiges Herumwälzen alle anderen in dem Raum gestört haben mußte. Ich hatte die Stimmen gehört, so lange ich zurückdenken konnte. Als kleines Kind unter der Werkbank meines Vaters hatten mich die Glasscherben, die durch meine Finger rieselten, verzaubert. Nicht nur ihre Farben, obwohl sie allein schon prächtig gewesen waren, sondern auch ihre leisen Rufe und ihre Worte. Als ich alt genug war, um Glas zu bearbeiten, folgte ich ihren Anweisungen, um mir die Arbeit zu erleichtern. Jetzt wußte ich, warum ich die Kunst der Glasnetzarbeit in so jungen Jahren schon beherrscht hatte: meine Stimme formte das Glas ebenso wie meine Werkzeuge, und ich hörte auf das, was das Glas mir sagte, was es ertragen konnte und was nicht.
Wer jedoch waren die Soulenai? War es in erster Linie gar nicht die Stimme des Glases, die ich gehört hatte, sondern die Stimmen dieser seltsamen Geister, die manchmal aus ihm heraussprachen?
Ich erinnerte mich, daß ich vor Boaz gesessen und das Glas geformt hatte und dabei den Stimmen gefolgt war, die mir helfen konnten. Er hatte nur einen Schritt weit entfernt gesessen, die Hände auf dem Glas, gelegentlich hatten seine Finger die meinen berührt. Unempfindlich und unempfänglich für die Schönheit und die Musik unter seinen Fingern.
Magier?, dachte ich und legte die ganze Verachtung, die Yaqob mir beigebracht hatte, in diesen Gedanken.
Dank der Soulenai hatten die hier anwesenden Magier kein besonderes Interesse an mir gezeigt. Ich hatte zwar kurz Koftes Aufmerksamkeit erregt, aber das war nur ein flüchtiges erotisches Interesse gewesen, das in dem Augenblick gestorben war, in dem ich in der Kammer zur Unendlichkeit in Ohnmacht fiel. Vielleicht verlangten die Magier von ihren Frauen, daß sie sich während ihrer Vereinigung mit der Eins beherrschten.
Meine Gedanken wandten sich wieder dem Glas zu. Warum hatte Isphet gesagt, ich würde mich fürchten? Sicherlich würde es nichts so Schreckliches sein wie das, das mich in der Kammer zur Unendlichkeit berührt hatte?
Nun, wie dem auch sein sollte, es würde gut sein, Yaqob dabei zu haben. Ich lächelte in die Dunkelheit hinein, drehte mich um und verbrachte die restlichen Stunden der Nacht damit, in Träume über Yaqob hinein- und wieder hinauszugleiten.
Mein Vater war sehr fröhlich am nächsten Morgen und sah sehr frisch aus. Er hatte sehr gut geschlafen, wie er erzählte, und beschwerte sich nicht, als Isphet ihn zusammen mit mehreren anderen losschickte, um in einer anderen Werkstatt auszuhelfen.
Sie würden für den Rest des Tages beschäftigt sein.
Wir arbeiteten fast bis Mittag an den uns zugewiesenen Aufgaben weiter, und dann kam Yaqob, um Orteas, Zeldon und mich zu holen.
»Sind wir sicher?« fragte Orteas.
»Ja. In der Gasse und entlang der Hauptstraße haben wir Posten aufgestellt. Es sind weder Wächter noch Magier in der Nähe.«
Später wurde mir klar, daß wir und die Elementisten in allen Werkstätten ein ausgeklügeltes Wachsystem einrichteten, wenn sie ihre Künste ausübten. Aber jetzt folgten wir Yaqob erst einmal die Treppe hinunter.
Die Arbeit war eingestellt worden. Die meisten Arbeiter standen stumm an den Wänden, in der Mitte des Raumes hatten Isphet und Raguel vor einem kleinen Tisch Aufstellung genommen.
Genau in seiner Mitte stand eine große Schale mit geschmolzenem Glas.
»Die anderen
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