Die Glaszauberin pyramiden1
Bett haben wollte, aber dann hätte sie wissen wollen, warum er mich dort haben wollte. Wie sollte ich erklären, daß ich meinen Schwur gebrochen hatte, daß ich mit der Schreibfeder möglicherweise einen Zauber der Magier bewirkt hatte? Und ich hatte Angst, daß, wenn ich es ihr erzählte, Boaz es erfuhr, und wir alle sterben würden. Es war sicherer, wenn ich Stillschweigen bewahrte, und sicherlich würde dadurch kein Schaden entstehen. »Er… ich…«
»Schon gut, Tirzah, du mußt keine Einzelheiten erzählen. Ich habe es selbst erlitten.« Sie zog mir das Gewand aus und faltete es ordentlich zusammen. »Wenigstens hat er dich nicht verletzt. Jetzt zieh dein Wickelkleid an. Gut. Setz dich hin und trink das hier so schnell du kannst. Wir müssen bald in die Werkstatt.«
Ich setzte mich, erleichtert, daß ich Isphet nicht direkt angelogen hatte, und nahm den dampfenden Kräutertrank von ihr entgegen. Ich trank das bittere Gebräu, ohne – in diesem Augenblick – zu erkennen, daß es zu trinken eine so offenkundige Lüge war, als hätte ich die Unwahrheit gesagt.
»Hast du Koholstifte, Isphet?«
In der Werkstatt lächelte mich Yaqob verlegen an und wandte sich dann ab. Ich stand da, unsicher, was ich sagen sollte, fragte mich, welche Bilder wohl in seinem Kopf herumspukten. Aber lieber diese als die Wahrheit. Ich hatte keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, denn Isphet scheuchte mich die Treppe hinauf, teilte Zeldon und Orteas mit, daß ich nicht hatte schlafen dürfen, und drängte mich auf einen Stapel aus Säcken.
»Wir passen auf«, sagte sie, und die beiden Männer nickten. »Schlaf. Jetzt wärst du sowieso nicht in der Lage, Glas zu schleifen.«
Ich ließ mich dankbar ins Vergessen sinken, getröstet vom Flüstern des Glases um mich herum.
In der Mitte des Vormittags schüttelte mich Zeldon heftig wach. »Tirzah! Boaz ist unten. Wach auf!«
Ich kämpfte mich hoch und rieb mir den Schlaf aus den Augen, obwohl die Angst, die mich bei Zeldons Worten durchzuckte, mich mit einem Schlag wach gemacht hatte.
»Schnell! Er hat nach dir gefragt.«
Ich zog mein Kleid schnell zurecht, blinzelte ein paarmal, um nicht so verschlafen auszusehen, und ging hinunter in die Werkstatt.
Der Magier prüfte die Glasplatten, die Yaqob zurechtgebrochen hatte, damit sie auf der Westseite der Pyramide angebracht werden konnten. Er hatte ein Maßband hervorgeholt und maß sie sorgfältig nach.
Yaqob stand mit ausdruckslosem Gesicht neben ihm – aber sein Blick flackerte unsicher, als ich zu ihnen trat.
Schließlich richtete sich Boaz auf. »Ja. Gut. Man kann sie einsetzen, Yaqob. Ah, Tirzah.«
Er kam auf mich zu, zögerte, dann strich er mit den Fingern mein Gesicht entlang, meinen Hals, dann schob er eine Stoffbahn zur Seite, um meine Brust in der Hand zu wiegen.
»Ja«, sagte er sehr leise und schaute mir in die Augen. »Wie schnell Kurzweil einem die Sorgen vertreibt. Du hast mich sehr erfreut, Tirzah, und ich habe durch deinen Körper eine gute Vereinigung mit der Eins erreicht. Du wirst heute abend wieder zu mir kommen.«
Seine Finger strichen ein letztes Mal über meine Brust, der Ausdruck in seinen Augen war unergründlich, dann schob er den Stoff wieder zurück und verließ die Werkstatt ohne ein weiteres Wort.
Jeder in der Werkstatt hatte betreten weggeschaut, auch Yaqob!
In meinem ganzen Leben war ich noch nie so gedemütigt worden. Mein Gesicht brannte, aber weniger vor Wut und Haß als vor Scham.
Ich wußte, warum Boaz das getan hatte. Jetzt würde Yaqob mir niemals mehr glauben, daß Boaz nicht mit mir geschlafen hatte, ja keinerlei Anzeichen gezeigt hatte, mit mir schlafen zu wollen. Boaz’ Handlungen waren die eines Mannes gewesen, der auf intime Weise mit dem Körper einer Frau vertraut war.
Ich erinnerte mich, wie wir Raguel betrachtet hatten, wie wir sie bemitleidet, sie hinter ihrem Rücken ›Arme Raguel‹ genannt hatten, und meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich mich abwandte.
14
Wie befohlen, ging ich an jenem Abend wieder hin. Ich säuberte mich und zog das weiße Gewand ein, betonte mit dem Kohol, den Isphet mir gab, meine Augen, dann ging ich allein zum Tor der Magiersiedlung. Die Wächter ließen mich wortlos ein. Vor der offenen Tür zögerte ich, dann trat ich ein. »Exzellenz?«
»Gut. Da bist du ja.«
Er rückte von seinem Schreibtisch ab, und ich holte das Wasser und wusch ihm Hände und Füße, trocknete sie, dann rieb ich sie mit Duftöl ein.
Weitere Kostenlose Bücher