Die Glaszauberin pyramiden1
wußte über Yaqob Bescheid? Ich schaute ihn verblüfft an, und er lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. »Ich weiß alles, Tirzah. Am Ende wird es sicherer für dich sein, wenn du Yaqob belügst, denn er wird die Wahrheit niemals glauben. Und wird er dir vertrauen, sobald er weiß, daß du schreiben kannst? ›Sie hat mich in dem Augenblick verraten, als sie das erste Mal die Rohrfeder in die Hand nahm‹. Das wird er glauben.«
Er ergriff meine Hand. Ich verkrampfte mich, setzte ihm aber keinen Widerstand entgegen, als er sie über den Schreibtisch zog. Langsam öffnete er meine Finger, einen nach dem anderen.
Ich kniff die Augen zu, und eine Träne quoll hervor.
»Mach die Augen auf, Tirzah.«
Ich zwang sie auf.
»Nimm die Feder vom Tisch.«
Ich zögerte, und seine Finger umfaßten mein Handgelenk fester. »Hast du mich verstanden, Tirzah?«
Trotz seines Griffes zitterten meine Finger, aber ich nahm das Schreibgerät.
»Gut.«
Ich verabscheute ihn, und ich fand widerlich, was er mir beibringen wollte. Ich verabscheute es, daß er mich auf so wohlüberlegte Art gezwungen hatte, Yaqob zu verraten. Doch meine Furcht war noch größer als mein Abscheu, weil er genau gewußt hatte, wie er mich dazu bringen konnte, meinen Geliebten zu verraten. Warum hatte ich mich nicht gegen ihn gewehrt? Getreten und geschrien? Aber hier saß ich nun, kämpfte darum, die Feder auf die Weise zu halten, die ihm gefiel, kämpfte damit, das zu begreifen, was er mir sagte, und mir drehte sich der Magen vor Ekel um.
Der Magier behielt mich bei sich, bis das Licht der Morgendämmerung durch die Fenster drang. Er lehrte mich, alle Zahlen und Schriftzeichen zu schreiben, und er ließ sie mich immer wieder von neuem schreiben, bis ich seinen Anforderungen genügte.
Ich wurde immer entmutigter und zusehends wütender; beide Gefühle wurden von Müdigkeit und Selbstekel noch verschärft, aber ich wagte es nicht, sie mir anmerken zu lassen. Also biß ich mir auf die Lippen und gab mir alle Mühe und versuchte seinen Wünschen nachzukommen.
Es war einfacher für mich, als es für Isphet oder Yaqob gewesen wäre. Ich war daran gewöhnt, auf Glas zu zeichnen und die Muster zu kopieren, die die Magier in die Werkstatt sandten. Ich entdeckte, daß ich eine gewisse Vertrautheit mit den Zahlen hatte, und das ängstigte mich und vertiefte meinen flammenden Haß auf diesen Mann.
Ich fragte mich, was er wirklich von mir wollte. Es ging ihm nicht nur darum, mich schreiben zu lehren, davon war ich überzeugt. Es gab keinen Grund, mir schreiben und rechnen beizubringen, denn die Magier hatten genügend Schreiber. Ich versuchte, in seinem Benehmen einen Hinweis darauf zu finden, fand aber nichts als Kälte und Ungeduld.
Möglicherweise gehörte er zu jenen, die Vergnügen darin fanden, eine Frau gegen ihren Willen zu etwas zu zwingen.
Schließlich riß er mir bei einem besonders mißlungenen Schriftzeichen gereizt die Feder aus der Hand und kritzelte ein Wort – es war nur einfach hingeworfen, aber seine Schriftzeichen waren trotzdem makellos.
»Was steht da?« wollte er wissen.
Ich sah das Wort an. »Es ist mein Name. Tirzah.«
Seine Lippen kräuselten sich verächtlich, und ich senkte den Blick. »Und du fragst dich«, sagte er sehr leise, »welchen Zauber dein niedergeschriebener Name birgt?«
Er starrte mich an, dann legt er die Rohrfeder zur Seite und verschloß die Tintenphiole.
»Ich erinnere dich noch einmal daran«, sagte er, »solltest du etwas von dem erzählen, was du bei mir machst, dann werde ich das in Erfahrung bringen. Ich glaube nicht, daß ich dich an die Konsequenzen erinnern mußt.« Er hielt inne. »Du darfst gehen.«
»Ich danke Euch, Exzellenz.«
Bei meinem Ton kniff er die Augen zusammen, und er suchte in meinem Gesicht sorgfältig nach irgendeinem Anzeichen für Spott, aber ich behielt meine ausdruckslose Miene bei, und mit einer flüchtigen Handbewegung entließ er mich.
Kiamet, der noch immer so gerade wie eine Verandasäule dastand, begleitete mich zurück zu meiner Unterkunft, wo Isphet mir mit sorgenvoller Miene die Tür öffnete.
»Tirzah!«
Sie knallte dem Wächter die Tür vor der Nase zu. »Und? Wie war es?«
»Ich habe überlebt, Isphet.« Aber das stellte sie nicht zufrieden.
»Du bist so lange fortgewesen.«
»Er hat mich lange Zeit dort sitzen lassen, Isphet.« Ich hatte das brennende Verlangen, ihr zu erzählen, daß er mich nicht angefaßt hatte, daß er mich nicht für sein
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