Die Glaszauberin pyramiden1
Frosch spähte verschmitzt hinter dem Schilfrohr hervor; ein anderer sprang in die Höhe, als wolle er in den Kelch hineinhüpfen; einer hockte da, als würde er über Geheimnisse nachsinnen, und zwei weitere jagten einander durch das Schilf, die Gesichter zu einem freundlichen Grinsen verzogen.
Während ich arbeitete, stellte ich mir vor, vom Quaken der Frösche umgeben zu sein, als würde ihr Lied vom Lhyl herübertreiben, aber es war heller Nachmittag, und die Frösche sangen nur in der Morgendämmerung und in der Abenddämmerung.
Als ich an diesem langen Nachmittag mit der aufwendigen Arbeit an dem Froschkelch begann, fragte ich mich nicht einmal, warum ich so viel Sorgfalt und Mühe für ein Geschenk für einen Magier aufwandte. Und ich fragte mich auch nicht, warum ich mir so viel Mühe gab, ihn vor den neugierigen Blicken Zeldons und Orteas’ zu verbergen, oder warum ich in freien Augenblicken immer nur dann an dem Kelch arbeitete, wenn ich allein war.
Eines Tages überraschte Boaz mich und die anderen damit, daß er mich an einem Nachmittag in sein Haus befahl.
Verblüfft starrte ich den Wächter an, der den Befehl überbracht hatte, dann nickte ich und ging zurück in meine Unterkunft, um mich zu säubern und umzuziehen. Es fühlte sich seltsam an, im enthüllenden Licht des Tages in dem Leinenkleid durch die Straßen zu gehen, und ich spürte die Last der Blicke: da geht Tirzah, die arme Tirzah.
Ich schaute zur Pyramide hinauf und wich den Blicken der Passanten aus. Süd- und Westseite waren nun völlig verglast – und an jedem anderen Bauwerk wäre es ein wunderschöner Anblick gewesen.
Als ich sie betrachtete, glaubte ich helle Lichtfunken unter der Glasverkleidung sehen zu können, fast so etwas wie Blitze. Ich runzelte die Stirn und sah genauer hin.
Da, ein Flackern, und ein Stück weiter unten ein Blitz, vielleicht aus einer der Schachtöffnungen.
Dann hörte ich die grobe Stimme eines Wächters, und ich senkte den Blick. Ich hatte das Tor zur Siedlung erreicht, und die Wächter warfen mir einen flüchtigen Blick zu und ließen mich eintreten.
Dies war das erste Mal, daß ich mich tagsüber in der Siedlung aufhielt, und ich verlangsamte meine Schritte etwas, um meine Neugier zu befriedigen. Die Gärten wirkten nun häßlicher, da Dunkelheit und Mondlicht ihre strenge Geometrie nicht mehr verbergen konnten. Selbst die Bäume hatte man in präzise Formen geschnitten, und die Wege waren zu schnurgeraden Linien geharkt, deren Abzweigungen stets im rechten Winkel verliefen.
Boaz’ Haus sah am Tag ebenfalls weniger hübsch aus als in der Nacht. Ich hatte mich daran gewöhnt, es nur in dem pastellfarbenen Licht zu sehen, das seine Linien weicher machte, und jetzt mußte ich erkennen, daß es massiv und kalt und lieblos aussah – vielleicht ein Spiegelbild der Seele des Magiers selbst war.
Fünfzehn Schritt von dem Haus entfernt blieb ich verblüfft stehen. Als Boaz mich das erste Mal zu sich gerufen hatte, hatte ich mich gefragt, warum er nicht Ta’uz’ Residenz übernommen hatte, die viel größer und prächtiger war und sich in der Mitte der Siedlung der Magier erhob. Boaz’ Haus war an eine der Mauern gebaut, und die tiefe Veranda ließ es verschlossen und geheimnisvoll aussehen.
Und sicher.
Dieser Gedanke ließ mich abrupt stehenbleiben.
Es war eins der wenigen Gebäude in der ganzen Siedlung, das von dem Schatten der Pyramide geschützt war! Die Mauer der Siedlung war hoch, und dieses Haus niedrig. Es lag immer im Schatten – aber es war der Schatten der Mauer und nicht der Pyramide. Seine Veranda vergrößerte diesen Schutz noch. Raguel hatte erzählt, daß Ta’uz viele Stunden lang aus dem Fenster seines Hauses die Pyramide angestarrt hatte. Boaz konnte das nicht tun, selbst wenn er es gewollt hätte; sowohl Veranda als auch Mauer versperrten den Blick auf die Pyramide – und verbargen das Haus vor der Pyramide.
Ich mußte an die – zugegeben seltenen – Momente denken, in denen ich einen flüchtigen Blick auf den Mann hatte werfen können, der in Boaz verborgen war. Das war immer in dem Haus geschehen, niemals draußen.
Im Haus, wo er vor der Pyramide sicher war.
Mir wurde bewußt, daß ich nicht nur starrte, sondern auch am ganzen Leib zitterte, und ich zwang meine Beine, sich in Bewegung zu setzen. Möglicherweise beobachtete Boaz mich. Möglicherweise steigerte er sich in diesem Augenblick in eine mörderische Wut, weil er dachte, ich würde seine Befehle nicht
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