Die Glaszauberin pyramiden1
und Unfälle. Es ist unser Schicksal, und es war das erste, an das ich dachte.«
»Hast du geglaubt, Yaqob läge dort von Glas durchbohrt, mein Schatz?«
Genau das hatte ich befürchtet – sicherlich hatte uns die Pyramide mittlerweile gekennzeichnet? Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, brach statt dessen aber in Tränen aus und versuchte sie genauso schnell zu unterdrücken. Ich schluckte, die Hand vor dem Mund und angsterfüllt.
Meine Furcht war wohl deutlich sichtbar, und sie stillte sein Bedürfnis, mich zu unterwerfen. Ich hatte mir zu viel herausgenommen, indem ich ihm in die Pyramide gefolgt war, und ich mußte gezüchtigt und auf meinen Platz verwiesen werden.
Seine Miene hellte sich etwas auf, aber erst nachdem er mich noch einmal zurechtgewiesen hatte. »Mach das noch einmal, Tirzah, und ich überlasse dich den Wächtern zu ihrem Vergnügen, denn bei der Eins, du verschaffst mir wenig genug davon. Hast du verstanden?«
»Ich habe verstanden, Exzellenz!« Ich schluchzte, zitterte jetzt am ganzen Leib.
Dann herrschte lange Zeit Stille. Dann…
»Ach, Tirzah. Warum weinst du so? Hier.« Er gab mir ein Mundtuch, damit ich mir das Gesicht abwischen konnte.
Es war nicht die Hand des Magiers.
Ich trocknete meine Tränen und warf einen verstohlenen Blick auf ihn. Er war noch immer voller Mißtrauen, aber jetzt stand der Mann vor mir und nicht der Magier.
Da mußte ich wieder weinen, diesmal jedoch vor Erleichterung und gleichzeitig erfüllt von Angst, etwas zu sagen oder zu tun, das den Magier wieder die Oberhand gewinnen lassen würde.
Boaz machte eine ungeduldige Geste und riß mir schließlich das tränenfeuchte Tuch aus der Hand. »Geh und wasch dir das Gesicht. Das Kohol ist ganz verschmiert, und du siehst aus wie eine Fünfjährige, die man bei irgendwelchem Unfug ertappt hat.«
Als ich dankbar mein Gesicht mit kaltem Wasser gekühlt hatte und endlich die Tränen versiegt waren, fragte ich mich, ob ich Boaz bei seiner Rückkehr hätte anbieten müssen, ihm Hände und Füße zu waschen.
»Exzellenz?« Unsicher, wie ich die Frage in Worte kleiden oder ob ich überhaupt etwas sagen sollte, deutete ich unbeholfen auf die Schüssel.
»Das ist nicht nötig«, sagte er und stand plötzlich neben mir, hängte sein Übergewand auf einen Ständer neben der Waschgelegenheit, wusch sich die Hände und nahm mir das Handtuch ab, um sie zu trocknen.
»Gut. Nun, hast du etwas gegessen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann setz dich.«
Es war eine schlichte Mahlzeit. Eine Schale mit kaltem Getreidebrei. Obst. Ungesäuertes Brot mit einem Schälchen Öl. Eine Auswahl Käse. Eine Kanne Wein mit zwei Bechern.
Er legte etwas Obst auf einen Teller, brach ein Stück Brot ab, gab etwas Öl darauf, löffelte etwas Getreide daneben, dann gab er mir den Teller. »Iß. Seit deinem Frühstück ist viel Zeit vergangen.«
Er schenkte mir auch Wein ein. »Bitte trink und iß, Tirzah. Ich würde mich darüber freuen.«
»Ja, Exzellenz.«
Er wollte sich nicht unterhalten, worüber ich froh war, und so saßen wir einige Zeit in angenehmer Stille da. Es erstaunte mich, daß hinter dem Magier ein solcher Mann existierte, und ich hoffte, daß der Mann eine Weile bleiben würde, nachdem der Magier mir solche Angst eingejagt hatte. Ich war entschlossener denn je, nichts Ungebührliches zu sagen oder zu tun.
Nachdem Holdat das Geschirr abgeräumt hatte, stützte Boaz den Ellbogen auf den Tisch, trank einen Schluck Wein und lächelte mich an.
»Worüber denkst du nach, Tirzah?«
»Ich denke darüber nach, daß ich noch immer viel zu lernen habe, Exzellenz.«
»Eine diplomatische Antwort. Ich wünschte, du würdest mir eine durchsichtige Glasplatte machen, die ich in deinem Kopf befestigen könnte und die dann verrät, was hinter deinen schönen Augen vorgeht. Komm, setz dich zu mir ans Fenster.«
Er nahm den Wein mit und stellte ihn auf einem kleinen Tisch neben unseren Stühlen ab. Wir saßen sehr nahe beieinander.
»Du kannst ruhig mit mir sprechen, Tirzah. Habe keine Angst.«
Aber es brauchte einigen Mut, um das zu sagen, was ich sagen wollte, denn ich hatte große Angst, daß er sich wieder in den Magier verwandelte.
»Exzellenz, ich frage mich, warum Ihr mich hergebeten habt. Ich weiß, daß Ihr nicht meinen Leib wollt« – als er das hörte, ging in seinen Augen eine Veränderung vor – »sondern mir die Kunst des Schreibens beibringen wollt. Denn sicherlich gibt es am Hof oder unter den Dienern und
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