Die Glaszauberin pyramiden1
deutlich durch diese funkelnde schwarze Substanz sichtbar, die Glas ähnelte und wiederum auch nicht.
Der ganze Gang war auf diese Art geschmolzen. Jetzt war er ein Tunnel, so schwarz wie die Nacht, und gab dennoch überall Licht ab.
»Hier entlang«, sagte der Wächter und führte uns tiefer in die Pyramide hinein.
Die fünf Männer waren einfache Arbeiter gewesen, die man ausgesandt hatte, um ein scheinbar blockiertes Tor zu überprüfen. Sie hatten den Gang betreten, dann waren die Tore vor und hinter ihnen zugeschlagen.
Keiner der drei Magier, die auf Boaz warteten, hatte dafür eine Erklärung.
»Wir waren nicht einmal in der Nähe des Schaltraums, Boaz«, sagte einer.
»Niemand war dort«, bestätigte ein anderer.
Ihre Worte trieben an mir vorbei. Ich starrte wie gebannt auf die fünf Leichen. Die Gluthitze, die durch diesen Gang getost war, hatte sie verbrannt, aber nicht so sehr, daß man sie nicht mehr hätte erkennen können, und ich konnte immerhin sehen, daß niemand unter ihnen war, den ich kannte.
Und ich konnte deutlich sehen, was die Glut mit ihren Körpern gemacht hatte. Sie hatte ihre Körper zu entsetzlichen Gebilden werden lassen mit verkrümmten Gliedern, und ihre Hände waren zu schwarzen Klauen geworden. Sie dampften noch, und der Geruch war unerträglich.
Ich wandte mich ab, konnte den Anblick nicht länger ertragen. Vier oder fünf Schritt entfernt lagen die geschwärzten Überreste einer ihrer Werkzeugtaschen, die Werkzeuge selbst lagen auf dem Boden verstreut.
Ich sah genauer hin, dann ging ich darauf zu, bückte mich und hob einen Hammer auf.
Ich keuchte auf, nicht nur wegen seines Gewichtes, sondern vor allem deswegen, weil er sich so merkwürdig anfühlte. Er war vollständig in Stein verwandelt worden, so wie auch alle anderen Werkzeuge. Selbst Holzgriffe waren in schwarzen, glasigen Stein verwandelt worden. War das Glas, das von den Wänden und der Decke geschmolzen war, auf diese Werkzeuge getropft? Oder war hier eine Macht am Werk gewesen, die ich nicht begreifen konnte?
»Boaz?« sagte ich unvorsichtigerweise, aber in einem Zustand solchen Entsetzens, daß ich nicht daran gedacht hatte, ihn mit seinem Titel anzusprechen. »Was ist mit dem Hammer passiert?«
Und ich hielt ihn ihm hin.
Er fluchte und schlug mir den Hammer aus der Hand. Er landete mit einem hellen, sauberen Klirren auf dem Boden. »Was machst du hier, Mädchen? Scher dich zurück in meine Residenz!«
»Ich… Boaz…« Ich bewegte mich nicht, aber ich brach in Tränen aus, verzweifelt über das, was ich um mich herum sah, und über die Kälte in seinen Augen.
»Verflucht!« zischte er, grub die Finger in meine Arme und stieß mich dem Wächter zu. »Schaff sie hier raus!«
Dem Wächter kam das sehr gelegen. Er ergriff mich leicht am Arm und zog mich den Gang entlang. Aber ich konnte noch hören, daß Boaz zu den anderen Magiern sagte: »Das ist wesentlich besser, als ich mir hätte träumen lassen. Viel mächtiger. Sehr viel mächtiger.«
Der Wächter begleitete mich zum Haus des Magiers. Ich setzte mich an den Schreibtisch, die geshardische Abhandlung über Geometrie erwartete ihre Vollendung, meine Augen waren sinnloserweise tränenblind.
18
Bei Einbruch der Dunkelheit kam er zurück. Sein Diener Holdat war gekommen und hatte mir etwas zu essen gebracht, aber ich hatte nichts anrühren wollen, außerdem verspürte ich sowieso keinen Hunger.
»Bist du fertig?« fragte er, als er eintrat.
Ich nickte teilnahmslos. Irgendwann hatte ich mich dabei ertappt, daß ich schrieb, ohne daß ich bewußt die Feder aufgenommen hatte. Überrascht hatte ich die Seite angestarrt, dann mit den Schultern gezuckt. Ich brauchte etwas, um meine Gedanken zu beschäftigen.
»Dann steh auf!«
Ich kämpfte mich in die Höhe.
»Wie kannst du es wagen, dich einzumischen!« schäumte er, und ich blinzelte ängstlich.
»Exzellenz?«
Er blieb vor mir stehen und beugte sich drohend vor, sein Finger stach in die Luft zwischen uns.
»Wie kannst du es wagen, mir aus diesem Raum zu folgen!«
»Exzellenz, ich hatte Angst!«
»Angst?«
»Angst, daß jemand, den ich kenne, tot in der Pyramide liegen würde, Exzellenz. Ich mußte es wissen.«
Er hielt inne, und der Ausdruck, der über sein Gesicht flackerte, gefiel mir gar nicht. »Der Wärter hatte nichts von Toten gesagt.«
»Exzellenz, warum sollte er sonst so blaß und entsetzt ausgesehen haben? Alle Sklaven fürchten auf einer Baustelle instinktiv Tod
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