Die Glaszauberin pyramiden1
»Hört ihm zu, laßt euch von ihm rühren, laßt euch von unserem Lied wiegen und trösten. Laßt euch von ihm umarmen und führen.«
Und das taten sie.
Die Soulenai folgten dem Weg, den das Lied der Frösche erschuf, denn sie selbst waren so voll eigener Magie, daß sie das Lied verstehen konnten, und sie reisten zu der Zuflucht im Jenseits, und seither hat keiner mehr etwas von ihnen gehört.
Aber ich glaube, wenn du dich von dem Lied der Frösche wiegen und trösten läßt, wenn du dich von ihm trösten und leiten läßt, dann wirst auch du diese Zuflucht im Jenseits erreichen können, denn es ist wahrhaftig ein Land der Wunder.
»Ich hoffe, mein Vater hat meine Mutter dorthin gebracht«, sagte Boaz in die Stille hinein, die nun folgte. »Ich glaube, daß er das Lied der Frösche verstanden hat. Ich glaube, darum ist meine Mutter auch an Trauer gestorben. Sie hatte nicht nur ihren Geliebten verloren, sondern auch die Zuflucht im Jenseits.«
»Vielleicht sind sie ja jetzt dort zusammen, Exzellenz«, sagte ich leise.
»Vielleicht, Tirzah, vielleicht.« Er seufzte. »Ich wünschte, ich könnte das Lied der Frösche verstehen. Ich glaube, ich würde dieses Land namens Zuflucht im Jenseits gern besuchen.«
Selbst jetzt dachte ich noch an eine Falle, aber ich mußte ihm einfach eine Frage stellen.
»Exzellenz?«
»Ja?«
»Exzellenz, wie hieß Eure Mutter?«
Boaz beugte sich auf seinem Stuhl vor, nahm mir das Buch aus den Händen und legte es wieder in den Kasten zurück.
»Der Name meiner Mutter war Tirzah.« Sein Blick war noch immer auf den Kasten gerichtet.
Ich wurde von solchen Gefühlen überwältigt, daß es mir schwerfiel zu sprechen. »Exzellenz, warum habt Ihr mir den Namen Eurer Mutter gegeben?«
»Wegen der Frösche, die du an diesem Tag für mich in das Glas geschliffen hast, Tirzah.«
Und doch hatte er es auf dem Boden zerschmettert. Die Frösche getötet. Würde ich diesen Mann jemals verstehen?
»Tirzah?«
»Ja, Exzellenz?«
»Es würde mich freuen, wenn du mich als meine Geliebte Boaz nennen würdest.«
Und das tat ich.
Er brachte mich nicht zu der Zuflucht im Jenseits, aber er brachte mich dennoch an einen anderen Ort. Yaqob und ich hatten niemals die Zeit oder die Abgeschiedenheit gehabt, unsere Liebe ausleben zu können. Boaz und ich hatten beides im Überfluß. Und Boaz war auch voller Fröhlichkeit, die bei Yaqob gefehlt hatte. Er neckte mich mit den Händen, seinem Mund, seinem Körper, bis ich – getrieben zur Wollust – ihn anflehte, es zu beenden und in mich einzudringen.
»Es zu beenden?« sagte er. »Wenn noch die ganze Nacht vor uns liegt?«
Aber er tat, worum ich ihn gebeten hatte, mit der Zärtlichkeit und Süße, die er mir in diesem Kuß gegeben hatte, daß ich ihn bat, niemals damit aufzuhören. Zu diesem Zeitpunkt war er zu atemlos, um lachen zu können.
Aber es mußte ein Ende geben, und es brachte mir genauso viel Erfüllung wie ihm – was mich überraschte, denn ich hatte nicht gedacht, daß eine Frau aus einer Vereinigung genauso viel Befriedigung ziehen kann wie ein Mann.
Er verließ mich nicht, sondern blieb schwer auf mir liegen, küßte zärtlich, streichelte, flüsterte…
… erhöre mich, umarme mich, liebe mich…
… bis wir beide in Schlaf sanken.
Wir schliefen, dann erwachten wir, und Boaz, der noch immer auf mir lag, setzte fort, was er begonnen hatte, und es war schneller, härter und wilder als beim ersten Mal, und es war gut, und diesmal waren meine Schreie voller besinnungsloser Wollust.
Wir schliefen wieder ein, und als ich erwachte, war der Magier zurückgekehrt.
20
Ich griff nach dem Laken, der Magier sollte meine Blöße nicht sehen, aber er riß es mir aus der Hand, dann packte er meinen Arm und zerrte mich aus dem Bett.
Er trug das vollständige Gewand seines Amtes, sein Haar war wieder zu Zöpfen geflochten, und in seinen Augen glitzerte die Wut.
»Dreckige Hure!« zischte er. »Was hast du getan?«
Ich brachte keinen Ton heraus, denn ich hatte Angst, daß alles was ich sagte oder tat, ihm einen Grund geben würde, mich zu töten.
»Hast du geglaubt, mich dazu bringen zu können, die Eins zu teilen, so wie es Raguel bei Ta’uz getan hat?«
Als er die Angst in meinen Augen sah, verzog sich sein Mund zufrieden zu einem schmalen Strich. »Ja, Ta’uz’ Schande ist bis zu uns nach Setkoth gedrungen. Glaube ja nicht, du könntest mich oder die Eins entehren.«
Er zog mich näher zu sich
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