Die Glorreichen Sieben 03 - und das Geheimnis der gruenen Maske
zuviel.“
„Da, das haben sie mir mit ihrem Feuerwerk total verbrannt“, schimpfte ein Schüler und hielt seinen Mantelärmel in die Luft. „Wenn ich mir das Affentheater vorstelle, das meine Mutter anstellt, denke ich glatt ans Auswandern.“
„Jetzt muß ein Exempel statuiert werden“, erklärte der Boß der Glorreichen Sieben. „Die Zeit ist reif dafür. Superreif, möchte man sprechen.“
Beifälliges Gemurmel kam auf, und einige Stimmen riefen: „Sehr richtig!“ oder: „Allerhöchste Eisenbahn!“
Kaum zweihundert Meter entfernt saß um dieselbe Zeit Oberstudiendirektor Senftleben hinter seinem Schreibtisch, qualmte eines seiner schwarzen Zigarillos und telefonierte mit dem Direktor der Maximilianschule.
„Ein starkes Stück“, sagte er gerade und meinte damit haargenau denselben Vorfall, der im Augenblick auch die Versammlung in Erikas Milchbar immer mehr auf die Palme brachte.
Im Unterschied zu den dort versammelten Schülern war Herr Senftleben allerdings die Ruhe selbst und schmunzelte sogar, als er jetzt sagte: „Eine Tomate soll den aufsichtführenden Assessor Doppschütz getroffen haben.“ Er paffte eine Rauchwolke in die Richtung der Schreibtischlampe.
„Aber Spaß beiseite“, meinte er dann. „Ich finde, wir müssen allmählich die Handbremse ziehen, bevor die Badewanne überschwappt, lieber Herr Kollege.“
„Es sind immer die Übergangsmonate, die kritisch werden“, erwiderte die Stimme am anderen Ende der Leitung. „Um den März herum, wenn’s für den Sportplatz oder das Freibad noch zu kalt ist, oder im Herbst, wenn sie sich noch nicht auf dem Eis oder im Schnee austoben können. Irgendwo müssen sie ihren Dampf ja loswerden -“
„Und die Zwischenzensuren gibt’s ja erst Ende Januar“, ergänzte Herr Senftleben. „Da wollen sie’s mit dem Lernen jetzt noch nicht übertreiben. “ Er legte seine Hand für einen kurzen Augenblick über das Mikrofon des Telefonhörers und sagte: „Besten Dank, Fräulein Kowalski.“ Seine Sekretärin war nämlich gerade in ihrem Wiesenblumenkleid aus dem Vorzimmer gekommen und hatte eine Tasse Tee vor ihn auf den Schreibtisch gestellt. „Was sagten Sie gerade, Herr Schröder?“
Die beiden Bad Rittershuder Oberstudiendirektoren fühlten sich, im Gegensatz zu ihren Schülern, keineswegs als Konkurrenten. Ihre Familien waren befreundet, machten gelegentlich gemeinsame Sonntagsausflüge, und jeden ersten Freitag im Monat trafen sie sich im Rathauskeller zum Kegeln.
Die Rivalität zwischen dem Prinz-Ludwig-Gymnasium und der Maximilianschule hatten sie bei ihrem Amtsantritt übernehmen müssen, genauso wie die zugigen Korridore in den alten Backsteinkästen und die veralteten Heizungen. An dieser Gegnerschaft war nicht zu rütteln, und sie mußte schon ein biblisches Alter und historische Wurzeln haben. Jedenfalls gab es sie, soweit man in der Stadt zurückdenken konnte. Sie legte sich allerdings zeitweilig aufs Ohr und schlief vor sich hin, um dann nur vorübergehend aufzuwachen, wenn sich die beiden Schulen im Sommer beim Sportfest gegenüberstanden oder wenn es jeweils im Dezember am letzten Schultag vor den Ferien in der Schwimmhalle um den Weihnachtspokal ging.
Aber dazwischen gab es eben leider diese Monate, in denen man sich klassenweise langweilte und beim besten Willen nicht wußte, wie man seine Freizeit totschlagen konnte. Da war denn in beiden Schulen die Luft elektrisch geladen und wartete sozusagen mit übereinandergeschlagenen Beinen in aller Seelenruhe auf jenen sattsam bekannten, ganz winzigen Funken. Daß er irgendeines Tages plötzlich aus einer Ecke hüpfte und zündete, war so sicher wie Pfingsten oder Silvester. Man konnte sich hundertprozentig auf ihn verlassen.
Dieses Mal war es in Rinaldos Eisdiele am Kurpark zur Explosion gekommen - eigentlich aus reinem Irrtum. Aber es sollen ja schon richtige Kriege nur aus Versehen losgegangen sein. Jedenfalls saßen die Schüler aus den beiden Bad Rittershuder Knabenlehranstalten an getrennten Tischen draußen im Vorgarten, aalten sich in der letzten Herbstsonne, drehten Däumchen und ödeten sich gegenseitig maßlos an. Dabei legte sich irgendwann ein Junge aus dem Prinz-Ludwig-Gymnasium der ganzen Länge nach in seinen Stuhl, gähnte und streckte weit die Arme aus. Leider traf er dabei mit seiner linken Faust einen der Maxen in den Rücken. Eigentlich war es bloß ein Antippen. Aber da ja alle auf so etwas Ähnliches gewartet hatten wie Dürstende auf einen
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