Die Glorreichen Sieben 03 - und das Geheimnis der gruenen Maske
zusammen in bester Laune, bereit, kolossal großmütig und enorm duldsam zu sein. Ganz einfach, weil sie gemeinsam und unter ziemlichen Anstrengungen bereits den größten Teil einer Aufgabe hinter sich hatten. Jetzt war eigentlich nur noch reines Vergnügen zu erwarten, keine Kraftakte und keine Aufregungen mehr. Aber da täuschten sie sich.
Ziemlich schnell sollte alles drunter und drüber gehen. Schon am selben Abend fing es damit an, daß sich die Ereignisse geradezu überschlugen.
… so undenkbar wie ein Seehund auf der Zugspitze
Der Wecker rasselte um fünf. Erst im Traum, dann in Wirklichkeit. Herr Knebusch streckte die Hand aus und drückte auf den Knopf, um das Klingeln abzustellen. Er lag halb angezogen auf seinem Bett und hatte genau drei Viertelstunden geschlafen. Er schüttelte seinen Kopf wie ein Hund, der gerade aus dem Wasser kommt, warf anschließend seine kurzen Beine in die Luft, wippte hoch und rief: „Hallo, Andy, bist du an Bord?“
„Wo soll ich sonst sein?“ antwortete der ehemalige Berufsboxer aus dem Nebenzimmer. Seine Stimme klang gepreßt, weil er gerade - mit den Füßen unter einem Schrank und mit den Armen hinter dem Kopf -den Oberkörper abwechselnd rückwärts ausstreckte und nach vorn beugte. Er hatte sich den Nachmittagsschlaf des anderen für sein tägliches Training zunutze gemacht.
„Ich hatte einen Traum, da bleibt dir die Spucke weg“, meinte das Babygesicht und kam ganz aufgeregt durch die offene Tür ins Nebenzimmer. „Lauter Schornsteinfeger. In ganz Bad Rittershude nichts als Schornsteinfeger, kannst du dir das vorstellen? Es gab überhaupt keine anderen Menschen mehr -“
„Hört sich gut an“, grinste Andy und drehte seine breiten Schultern jetzt zusammen mit dem ganzen Rumpf nach links und rechts.
„Die Passanten auf den Gehsteigen“, berichtete der andere weiter, „die Straßenbahnschaffner, Polizisten, Marktfrauen, alle mit rußgeschwärzten Gesichtern und Zylindern. So ein Traum ist kein Zufall, Andy Und bereits eine Viertelstunde später schlug das Glück über Herrn Walter Knebusch zusammen wie noch vor ein paar Tagen das Meereswasser am Strand von Las Palmas. Das war jedenfalls seine Meinung, und er bekam vor lauter Freude eine Gänsehaut.
Vorerst zogen sich die Herren Knebusch und Paschke allerdings noch ihre besten Anzüge an, wanderten mit ihren Zimmerschlüsseln in der Hand zum Lift und ließen sich in die Halle tragen.
„Wir müssen mal wieder durch die Gegend lächeln und Pluspunkte sammeln“, hatte das Babygesicht vorgeschlagen. „Auch wenn das ganze Affentheater zum Kotzen langweilig ist.“
Mit „Affentheater“ meinte er den täglichen Tanztee im Großen Saal des Kurfürsten, der bei den Hotelgästen und auch bei den übrigen Kurbesuchern sehr beliebt war. Ein älterer Klavierspieler machte zusammen mit einem Stehgeiger Musik, meistens war kein einziger Stuhl mehr frei, und auf den Tischen brannten Kerzen, weil es um diese Zeit jetzt schon dunkel wurde.
Mister Pinkerton saß zusammen mit Herrn Wunderlich neben einer der vielen Zimmerpalmen in einer Ecke. Die beiden Herren spielten Schach.
„Tut mir leid“, sagte Herr Wunderlich gerade und schob seinen weißen Läufer ins Feld. „Schach!“
„Wieso?“ fragte Mister Pinkerton verwundert. „Ich kann doch hier —“
„Würde ich nicht empfehlen“, unterbrach ihn Herr Wunderlich. „Da steht mein Turm.“
Mister Pinkerton starrte noch eine Weile auf das Schachbrett, ließ schließlich sein Monokel aus dem Auge fallen, tippte seinen König an, daß er auf die Seite fiel, und sagte lächelnd: „Wir ergeben uns.“
In der Zwischenzeit kamen die Herren Knebusch und Paschke vom Lift her über die Treppe und blickten im ersten Moment ein wenig verwundert, weil die Hotelhalle vollkommen leer war. Aber dann entdeckten sie vor der gläsernen Drehtür und den hohen Fenstern Herrn Pelz, der in seiner grasgrünen Uniform draußen eine Reisegesellschaft verabschiedete, die mit ihrem Gepäck gerade in einen Omnibus verfrachtet wurde.
Die beiden Herren schlenderten zu der verlassenen Portiersloge hinüber. Das Babygesicht hatte inzwischen beide Schlüssel in der Hand und legte sie in die Fächer 114 und 115. Als er sich umdrehte, fiel sein Blick auf die weit geöffnete Tür zum Nebenraum, in dem eine Frau gerade mit einem nassen Scheuertuch den Boden schrubbte. Er sah nur ihren Rücken und ihre weißen Haare. Alles, was ihr bei der Arbeit im Weg gestanden hätte, war von ihr
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