Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
man eine Frage beantworten mußte, und schließlich schrieb sich gelegentlich das Wort Risiko quer über die ganze Wand. Dann mußte der Kandidat bestimmen, welchen Betrag er von seinem Konto wagen wollte. Bei einer richtigen Antwort wurde er seinem Kapital zugeschlagen, bei einer falschen wurde er abgebucht, und er sah das Geld nie wieder.
Die Zahlen, die roten Signallampen und die Bilder in der Wand hüpften hin und her. Einmal lag Frau Berghahn um eine Nasenlänge vorn, dann wieder der Pensionär aus Stuttgart oder auch Herr Bissegger. Bis er mit einer Fünfhundertmarkfrage in den Keller rasselte. Er konnte auf einem riesengroßen Diapositiv, das über die ganze Bildwand geworfen wurde, den Kaiserdom in Speyer nicht erkennen. Dabei war es eine Ansicht von der typischen Ostseite.
Frau Berghahn hatte richtig getippt und schwamm jetzt wie ein Fettauge ganz oben auf der Suppe. Wenig später erklang Musik, und zugleich schrieb sich Risiko über die Bildwand, nachdem der junge Referendar seinen Wunsch geäußert hatte.
„Nun, Herr Bissegger, achthundert sind auf Ihrem Konto, Herr Wipperfeld hat eintausend und unsere Championessa ist inzwischen auf eintausendfünfhundert geklettert“, stellte der Quizmaster fest. „Wieviel setzen Sie?“
Inzwischen hatte Herr Bissegger ganz schnell und dicht hintereinander an seine Mutter in Köln gedacht, die jetzt vermutlich zusammen mit ihren Nachbarn vor dem Bildschirm saß. An Oberstudiendirektor Senftleben, seine Kollegen in Bad Rittershude und die Schüler im Prinz-Ludwig-Gymnasium, die jetzt bestimmt auch alle zuschauten. Die Kohls, Frau Elfriede Breitschuh, nicht zuletzt seine Glorreichen Sieben.
„Wieviel setzen Sie?“ wiederholte der Quizmaster.
„Ich setze alles“, sagte Herr Bissegger und verzog keine Miene dabei.
Das Publikum hielt wieder einmal den Atem an, und die Kamera erfaßte den Kandidaten jetzt bildfüllend in einer Großaufnahme.
„Keine einzige Schweißperle auf der Stirn“, stellte Zigarrenhändler Bemmelmann in Bad Rittershude anerkennend fest. „Ist der Bursche nun so kaltschnäuzig, oder tut er nur so?“
Im selben Augenblick bemerkte Oberstudiendirektor Senftleben ein paar hundert Meter entfernt: „Hätte ich unserem jungen Kollegen nie zugetraut. Himmeldonnerwetter, das ist ja spannender als ein Krimi.“
Im Berliner Aufnahmestudio erklang inzwischen leise Musik, eine Landschaft mit Dünen, Deichen und Meer machte sich auf der Bildwand breit, und die Stimme eines Schauspielers las über den Lautsprecher ein paar Sätze aus einer der bekanntesten deutschen Novellen vor. Der Quizmaster wollte den Namen des Schriftstellers und den Namen des Werkes wissen.
„Der Schimmelreiter von Theodor Storm“, sagte Herr Bissegger.
„Jetzt haben Sie mit hundert Mark Vorsprung die Spitze übernommen“, stellte der Quizmaster fest.
Die Zuschauer applaudierten wieder einmal, und auch vor den Fernsehschirmen in Köln und Bad Rittershude klatschte man begeistert.
„Das halten meine Nerven nicht aus“, stöhnte Paul Nachtigall.
„Aber dufte, wie er alles riskiert hat“, bemerkte der Hotelpage Oliver Krauße.
Als die Bildwand schließlich leergefragt war, lag die rundliche Frau Berghahn doch wieder mit vierhundert Mark vor dem Kandidaten aus Bad Rittershude. Der pensionierte Postbeamte aus Stuttgart lief leider nur noch am Rande mit.
„Jetzt kommt es allein auf die Endrunde an“, stellte Emil Langhans fest.
„Verdammt, diese Pilztante ist nicht von schlechten Eltern“, meinte Karlchen Kubatz. „Auch wenn mir ihre Goldreifensammlung zum Hals raushängt.“
„Der zweite Platz wäre ja auch nicht von Pappe“, schaltete sich der Hotelpage dazwischen.
In diesem Augenblick sprang die amerikanische Popgruppe in das Licht der Scheinwerfer, und ihre Band jagte einen knallharten Jazz-Rock durch die Lautsprecher. Beinahe gleichzeitig schlich sich Kriminalassistent Brose in seinem zerknautschten Anzug durch eine Seitentür im Studio. Er wollte den Zuschauern nicht die Sicht stehlen und bückte sich, als er an der ersten Sitzreihe vorbeiging. Bei den Glorreichen Sieben angekommen, setzte er sich mit gekreuzten Beinen und mit dem Rücken zur Dekoration auf den Boden und holte ein Foto aus der Innentasche seines Jacketts.
„Haben wir bei der Fahndung ausgegraben, ist aber noch taufrisch“, sagte er. Da die amerikanische Gruppe einen Höllenlärm fabrizierte, konnte er so laut sprechen, daß ihn alle Jungen verstanden, ohne daß er die übrigen
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