Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
gelungene Überraschung. Beinahe sämtliche Herren hatten die heutige Ausgabe der Bad Rittershuder Nachrichten vor sich auf dem Tisch liegen.
„Ich danke Ihnen“, stammelte der Referendar verwirrt. „Und gleichfalls allerseits einen guten Morgen.“ Da er beim Hereinkommen die Tür hinter sich nicht geschlossen hatte, konnte in diesem Augenblick Oberstudiendirektor Senftleben unbemerkt neben ihm aufkreuzen. Erst als er schon dicht neben ihm stand, bemerkte der Referendar ihn.
„Es ist mir völlig neu, daß unser Lehrkörper über ein so gewaltiges Stimmvolumen verfügt“, meinte der Direx schmunzelnd. „Ihre sonoren Organe waren bis in mein Büro zu hören, meine Herren.“
Die Lehrer standen immer noch vor ihren Stühlen.
„Guten Morgen, Herr Direktor“, sagten sie mehr oder weniger laut und mehr oder weniger durcheinander. Aber allesamt grinsten sie.
„Auch ich möchte mich den guten Wünschen der Kollegen zu Ihrem Fernsehauftritt anschließen“, wandte sich Oberstudiendirektor Senftleben jetzt an den Referendar. „So, so! Ägyptologie ist also Ihr Steckenpferd. Interessant. Ich meinerseits beschränke mich auf das Sammeln von seltenen Farnkräutern in meiner Freizeit.“
„Ägypten interessiert mich fast schon seit dem Kindergarten“, antwortete Herr Bissegger bescheiden und versuchte zu lächeln. „Es hat sich einfach so ergeben.“
„Jedenfalls möchte ich dazu beitragen, daß Sie unsere Stadt und last not least unsere Schule in Berlin würdig vertreten. Wann müssen Sie denn reisen?“
„Am Dienstag, sagten die Herren vom Fernsehen, also bereits heute in acht Tagen. Man würde mir eine Bahnfahrkarte bis Nürnberg zuschicken und einen Flugschein von dort nach Berlin. Das Hotel sei gebucht, und für Mittwoch wäre eine erste Probe im Studio vorgesehen. Am Donnerstag abend ginge es dann um die Wurst. Aber ich sagte gleich, daß ich zuerst einmal um Urlaub bitten müßte...“
„Darüber brauchen wir selbstverständlich gar nicht zu reden“, unterbrach ihn der Direktor. Er nahm einen Zug aus seinem Zigarillo, das er sich inzwischen angezündet hatte. „Ich wollte Ihnen sogar anbieten, ab übermorgen zu Hause zu bleiben, damit Sie sich in aller Ruhe vorbereiten können. Das nehme ich, ohne zuerst den Schulrat anzurufen, auf meine Kappe. Im Stundenplan sind Sie als Referendar ja glücklicherweise vorerst noch zu ersetzen.“ Er lachte und ließ eine kleine Rauchwolke aufsteigen. „Das Ganze ist für Sie ja beinahe so etwas wie ein zweites Staatsexamen, oder?“
„Mit dem Unterschied, daß diesmal halb Deutschland zuguckt“, bemerkte Studienrat Dr. Purzer. „Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken.“
„Sie sagen es“, stimmte Herr Bissegger zu.
Inzwischen war endlich auch Karlchen Kubatz angesaust gekommen.
Die Glorreichen Sieben hatten im Treppenhaus dicht vor dem Korridor der zweiten Etage an das Geländer gelehnt auf ihn gewartet. Von diesem Standpunkt aus konnten sie das Lehrerzimmer beobachten.
„Ausgerechnet heute wäre es freundlich gewesen, ausnahmsweise mal zwei Minuten früher zu kommen“, bemerkte Paul Nachtigall vorwurfsvoll. „Du bist doch einer der wenigen, der mehr weiß, als in der Zeitung steht.“
„Das kann ich euch flüstern“, hauchte der kleine Junge mit dem Bürstenhaarschnitt. Er war gerannt und holte tief Luft.
„Bestimmt hat dein Alter beim Morgenkaffee eine Menge ausgeplaudert?“ fragte der dickliche Sputnik.
„War gar nicht nötig“, korrigierte ihn Karlchen Kubatz. „Ich bin ja die ganze Nacht dabeigewesen ...“ Und jetzt berichtete er möglichst schnell und fast in einem Atemzug, wie er gestern noch aus dem Bett geholt worden war und was er anschließend in der Pension Flora erlebt und gehört hatte.
„ Bissegger hat tatsächlich abtelegrafieren wollen?“ flüsterte Manuel Kohl schließlich fassungslos und fügte dann hinzu: „Allerdings, verstehen könnte ich es ja.“
„Für mich ist es das Gelbe vom Ei, daß er zu dir gesagt hat, du würdest eine Art Rückendeckung für ihn sein“, überlegte Emil Langhans für alle hörbar.
„Hat er wörtlich so gesagt“, bestätigte Karlchen. „Er muß einen unsagbaren Bammel haben.“
„Rückendeckung“, wiederholte Paul Nachtigall und zog das Wort in die Länge. „Wir müssen mit ihm konferieren. Gestern hat er uns geholfen, jetzt sind wir dran.“
„ Claro , eine Hand wäscht die andere, wie es so schön heißt“, stimmte der hellblonde Hans Pigge zu.
Mitten in seine letzten
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