Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel
für Berlin ganz fix noch einen neuen Anzug besorgen, Herr Referendar. Am besten was Dunkles. Das wirkt auf dem Bildschirm immer so vornehm.“
„Beruhigen Sie sich, liebe Frau Breitschuh“, meinte Herr Bissegger trocken. „In meinem Fall interessiert ausschließlich der Kopf, der oben aus dem Kragen rausguckt.“
„Und was in diesem Köpfchen drin ist“, ergänzte Emil Langhans.
Das Dutzendgesicht bereitet seinen Coup vor
Der schlanke und große Mann mit der getönten Brille hatte noch vor seinem Abflug aus München über den Fernschreiber des Bayerischen Hofs im Hotel Kempinski Zimmer reservieren lassen, möglichst mehrere zusammenhängende Räume. Und zwar für einen Generaldirektor Klingelhöfer. Den „Generaldirektor“ hatte er sich kurzerhand bei Dr. Glossner ausgeborgt, und der neue Falschname war ihm zugeflogen wie ein Schmetterling.
Die Präsidentenappartements seien leider belegt, hatte man aus Berlin geantwortet. Lediglich 605, die Bellevue-Suite mit einer besonders schönen Lage in der sechsten Etage, stünde noch zur Verfügung. Allerdings nur für zwei Nächte.
„bestätigen buchung “, ließ das rosafarbene Dutzendgesicht umgehend zurücktickern. „zwei nächte genügen — stop — generaldirektor klingelhöfer eintrifft mittwoch nachmittag.“
Zimmerbestellungen von einem ersten Hotel zum anderen gehörten auch im Kempinski zur Alltagsroutine, weshalb sie irgendwelche weiteren Rückfragen überflüssig machten. Und im Bayerischen Hof waren die Damen der Telefonzentrale durch die Modewoche ohnehin derart überbeschäftigt, daß sie gar nicht die Zeit dazu gehabt hätten, jeden Hotelgast, der ein Fernschreiben losschicken ließ, vorher zu röntgen.
Auch in Berlin sah Herr Andreas Bertram wie aus Marzipan gemacht aus. Die luxuriöse Suite im Hotel Kempinski hatte er natürlich nicht für den eigenen Gebrauch bestellt.
Nachdem sein Flugzeug auf dem Flughafen Tegel gelandet war, spazierte er mit seinem Büffellederkoffer und der piekfeinen Flugtasche sofort zum Schalter für Zimmernachweise und ließ sich ein bescheidenes Hotel mit schlichten Preisen vermitteln. Es hatte den etwas aufschneiderischen Namen Splendid und lag hinter der Knesebeckstraße , nur einen Fünfminutenspaziergang vom Kurfürstendamm entfernt.
Unser Reisender, der übrigens einen englischen Regenmantel mit Schulterklappen übergezogen hatte, war mit Berlin vertraut. Bevor er zwangsweise für längere Zeit aus dem Verkehr gezogen worden war, hatte er in dieser Stadt verschiedene berufliche Höhepunkte erleben dürfen, die ihm selbst bei der hiesigen Kriminalpolizei Respekt und Achtung eingebracht hatten.
Selbstverständlich kannte er sich auch in sämtlichen renommierten Hotels so gut aus wie im eigenen Schrebergarten. Sie waren ja schließlich und sozusagen seine Arbeitsplätze gewesen.
Natürlich hatte die Zeit gewisse Veränderungen bewirkt.
Von einem unterhaltungsbedürftigen Taxifahrer erfuhr er nach einigen Fragen, daß die Interconti -Kette inzwischen das gute alte Hilton geschluckt hatte und daß es mit dem Penta und dem Steigenberger inzwischen ganz neue Häuser gab. Das Hotel Kempinski stünde natürlich noch an seinem früheren Platz, aber es sei äußerlich und inwendig total umgekrempelt und modernisiert. Allein die neue halbrunde Fassade sei eine Wucht.
Ich werde mir das ganz genau ansehen müssen, dachte der neue Hotelgast des Hotels Splendid.
Er hatte in dem kleinen Zimmer inzwischen seine Koffer ausgepackt und sich anschließend rasiert. Jetzt duschte er gerade ziemlich heiß, drehte dann aber den
Hahn der Brause auf kalt. Unter dem eisigen Wasserstrahl prickelte seine Haut und fing an zu glühen, als er sich kräftig abfrottierte.
Das gehörte genauso wie frische Unterwäsche vor jedem professionellen Ausflug zu seinem abergläubischen Ritual. Jetzt erst spürte er das richtige Wohlbefinden und die nötige Spannung, die wie eine Batterie seine Nerven auflud. Wenn ihn trotzdem nur für eine Sekunde der Anflug lähmender Angst beim Gedanken an ein paar weitere Jahre Knast beschlich, die ihm bei der nächsten Verhaftung so gut wie sicher waren, zwang er sich, an etwas besonders Schönes zu denken. Zum Beispiel an Palmen, blauen Himmel und ein Stück Ozean.
Bereits um die Mittagszeit wanderte er in Dr. Glossners beigefarbenem Seidenanzug, dessen piekfeine Flugtasche in der rechten Hand, über die Kreuzung bei der Uhlandstraße, an eleganten Geschäften und den offenen Ständen der
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