Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
flüsterte: »Was muss ich jetzt machen?«
Rose warf die Hände in die Luft. »Das weiß ich auch nicht! Vielleicht, es an ihre Nase halten?«
Tymo warf einen Blick auf die kleinen Rotzpopel in Nellas Nasenlöchern, die mit jedem Atemzug zitterten und bebten, dann gab er das Glas an Rose weiter. »Das kann ich nicht.«
»Na gut«, sagte Rose, »dann mach ich es.« Sie hielt ihrer Schwester die Glasöffnung über den brummenden, schnaufenden Auspuff von einer Nase und wartete.
Das Schnarchen war so mächtig, dass der Metallverschluss des Glases wackelte. Nach ein paar Atemzügen beschlug das Glas, und Rose schloss den Deckel leise.
»Das hätten wir«, flüsterte sie, und sie schlichen wieder nach unten.
Rose und Tymo kannten sich ja inzwischen mit den Mengenangaben in dem alten Backbuch aus. Sie nahmen die zehnfache Menge, um zehn Dutzend Plätzchen zu erhalten – also zehn Tassen Mehl, zehn Tassen braunen Zucker und dreißig Eier. Sie wählten dazu die größte Rührschüssel aus, die sie finden konnten, während das Glas mit Nellas Atem durch die Schnarchgeräusche auf der Arbeitsfläche herumklapperte.
Gerade als Tymo die letzte Tasse des sandigen braunen Zuckers aus dem Sack schöpfte, wurde das Glas so heftig durchgeschüttelt, dass es umkippte und von der Arbeitsfläche rollte. Rose warf sich mit einem Hechtsprung unter die Tischplatte, und das Glas landete mit einem
Plumps
in ihrem Schoß.
Tymo sah sie ungläubig an. »Gut gehalten,
mi hermana
!«, rief er und hielt ihr die Hand zum Abklatschen hin. Sie schlug ihm auf die Handfläche und wurde ganz rot vor Stolz. Er hatte das nicht mehr getan, seit Rose überhaupt wusste, was Abklatschen war.
Sobald Tymo das letzte Ei in die Schüssel geschlagen hatte, konnten sie anfangen, zu zaubern. Am Anfang geschah nichts, als Rose das Glas über dem Teig öffnete, doch nach einem Augenblick wurde das beschlagene Glas wieder klar. Am Boden sammelten sich ein paar trübe kleine Klümpchen. Dann fielen diese kleinen Bomben des ehrlichen Atems in den Teig, versanken darin und kamen blubbernd wieder an die Oberfläche wie in einem brodelnden Sumpf. Der Teig gurgelte und zischte und spuckte Dämpfe aus. Plötzlich roch er nach Senf und Rauchfleisch.
»Eklig«, sagte Tymo. »
Das
war im Atem von unserer kleinen Schwester?«
»Zwölf Mal gegen den Uhrzeigersinn mit einem Löffel aus Elfenbein umrühren«, sagte Rose. Der Plastikrührlöffel sollte es auch tun. Sie musste sich sehr anstrengen, um den immer zäher werdenden Teig zu bewegen. Dabei schien der Teig selbst zu schnarchen – er weitete und verengte sich, als habe er auf einmal Lungen. Einmal blubberte er auf und schien über den Rand der Schüssel schwappen zu wollen, dann fiel er wieder zu einem flachen und ruhigen feuchten Haufen zusammen. Es war fast, als würde der Teig leben.
»Das ist ja widerlich«, sagte Rose zu Tymo.
»Ich find’s ziemlich krass«, flüsterte Tymo.
Nach dreimaligem Umrühren war der würzige Geruch verschwunden, und nach sieben Mal war der Teig zu einer dicken braunen Suppe geworden. Mit jedem weiteren Umrühren wurde die Farbe heller – von dunkler Schokolade über Milchschokolade zu einem hellen Butterton, bis die Masse fast weiß war. Nach zwölfmaligem Umrühren war ein Plätzchenteig daraus geworden, der auch so wie Plätzchenteig roch: süß und zuckrig.
Rose und Tymo löffelten kleine Häufchen auf Backbleche – zehn Bleche insgesamt – und schoben sie in den großen Backofen. Inzwischen war es vier Uhr früh, und Rose konnte sich nicht erinnern, jemals so müde gewesen zu sein. Selbst Tymo gähnte. Als die Küchenuhr
Pling!
machte, holten sie die Plätzchen heraus, stellten sie zum Abkühlen auf die Anrichte und taumelten völlig erschöpft nach oben.
»Stell deinen Wecker auf Viertel vor acht!«, sagte Rose zu Tymo.
»Mach ich, Schwesterchen«, murmelte er.
»Wir müssen Mrs Havegood die Plätzchen persönlich übergeben!« Aber er war schon in seinem Zimmer verschwunden, und kurz darauf hatte sich auch Rose in ihre Decke gewickelt und war eingeschlafen.
Als Rose aufwachte, wurde sie wie von einer riesigen Meereswoge hin und her geworfen. Sie schlug erschrocken die Augen auf und sah, wie Basil und Nella rechts und links von ihr auf dem Bett herumhüpften.
»Rose! Rose!«, schrie Basil. »Wach auf! Chip sagt, du musst mit uns spielen, weil er uns in der Küche nicht gebrauchen kann!«
Nella trat Rose versehentlich in die Rippen, und Rose stieß einen Schrei
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