Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
seiner gegelten Haare aus der Stirn, und die Mädchen heulten alle gemeinsam auf.
»Weswegen kreischen diese albernen Gören eigentlich?«, fragte Mrs Carlson.
Rose kannte die Antwort ja bereits. Sie drängte sich durch die dunkelbraune Eichenholzschwingtür in den Verkaufsraum.
Bei ihrem Anblick stießen Dutzende von Mädchen, die sich vor dem Laden versammelt hatten, vor Enttäuschung ein ohrenbetäubendes Gejammer aus, das die Scheiben der Vitrinen klirren ließ:
»Buuuuuuh!«
»Geht weg!«, rief Rose durch die geschlossenen Fenster hindurch. »Tymo kann euch nicht leiden!« Aber sie konnte sich vor lauter Krach nicht einmal selbst hören.
Dann erhob sich hinter der Menge eine besonders laute Stimme. »Wenn er nicht sofort herauskommt, zerkratze ich jemandem das Gesicht!« Ein Mädchen, das größer und kräftiger war als alle anderen, stürzte in die vorderste Reihe der Menge, wobei sie kleinere Mädchen im Vorüberlaufen einfach umwarf. Es war Ashley Knob.
Ihre langen Haare waren zu solch glänzenden und hellblonden Korkenzieherlocken aufgedreht worden, dass man blinzeln musste, wenn man direkt hinsah. Ihr Lipgloss glitzerte, als hätte sie Brillanten auf den Lippen. Über der Schulter trug sie eine Tasche, aus der ein verängstigter Chihuahua herausguckte, dem es eindeutig lieber gewesen wäre, überall, bloß nicht hier zu sein. Ein großer Kreis bildete sich um sie. Selbst unter dem Zauberbann stehend, machten die Mädchen von Calamity Falls immer noch automatisch Platz für Ashley Knob.
Ashley kreischte und hämmerte mit den Fäusten an die Scheibe. Aus Angst, dass das Glas brechen könnte, hielt Rose es für das Beste, den Mädchen zu geben, was sie wollten. »Okay, okay! Ich hole ihn. Aber hört endlich auf!«
Ashley Knob hob den Arm, und auf der Stelle hörte das Hämmern und Kreischen auf.
Rose fand Tymo in der Küche. Er kauerte hinter dem Hackblock und hatte den Kragen seines Hemdes über die Augen gezogen.
»Sie wollen dich sehen«, sagte Rose.
»Das ist doch aberwitzig!«, sagte Mrs Carlson. »Diese Mädchen sollten sich was schämen!«
Vor Roses Augen stürzte Mrs Carlson durch die Schwingtür, dann zwängte sie sich durch die Ladentür der Bäckerei; dabei achtete sie darauf, keinen der ausgerasteten Teenies hineinzulassen. »Ihr alle benehmt euch wie absolute Idiotinnen! Lauft zurück zu euren Eltern, auf der Stelle!«
Ashley Knob packte Mrs Carlson bei ihren Lockenwicklern und hob sie über ihren Kopf. Die ganze wilde Menge reichte die zappelnde Mrs Carlson über den Köpfen weiter und weiter. Mrs Carlson versuchte verzweifelt, sich wieder zur Tür vorzukämpfen, aber die Mädchen waren zu kräftig. Mrs Carlson verschwand.
Rose riss Tymo an seinen gegelten Haaren hoch. »Du musst in den Verkaufsraum, sofort! Sie haben Mrs Carlson. Wer weiß, was sie mit ihr machen!«
Tymo duckte sich, um nicht durch das Fenster gesehen zu werden. »Auf keinen Fall. Ich mag sie ja nicht mal.«
Rose schubste ihn. »Du
musst
hinaus und sie beruhigen.«
»Und wie soll ich das anstellen?«
Das war eine gute Frage. Doch Rose dachte an Devin Stetson und wusste auch schon die Antwort. »Du musst die Anführerin küssen. Ashley Knob.«
»Die gezierte, eingebildete Ziege? Eher würde ich Mrs Carlson küssen!«
»Das kann ich arrangieren«, sagte Rose.
Tymo fiel auf die Knie. »Bitte, Rose! Wenn ich mit dem Mund irgendwo in die Nähe von ihrem glitzernden, kaugummiverschmierten Fischmaul komme, ist mein Leben an der Schule ruiniert. Sie wird mich in ihren Fängen festhalten wie diesen armen Hund, den sie in ihrer Handtasche herumschleppt. Willst du, dass ich zu einem Schoßhündchen werde, Rose? Willst du das wirklich?«
Rose verdrehte die Augen. »Du musst sie ja nicht
wirklich
küssen. Du musst sie nur in Ohnmacht fallen lassen, damit sie nicht die Scheibe einschlägt. Das ist ein Kinderspiel.«
Rose zog Basil und Nella in den Verkaufsraum. Dort standen sie und sahen zu, wie Tymo durch die Schwingtür kam. Die Mädchen kreischten, als hätten sie gerade Justin Bieber entdeckt.
»Das ist ja besser als der Hubschrauber, den mir Daddy zum Sechzehnten gekauft hat!«, kreischte Ashley Knob. »Und ich
liiieeebe
Hubschrauber!«
»Das geht bestimmt schief«, murmelte Tymo über die Schulter. Er zog ein Spielzeugmegaphon hervor, das sein Vater im Küchenschrank verwahrte, und hielt den Trichter an den schmalen Briefschlitz neben der Eingangstür.
»Ashley Knob.« Tymo war auf den Knien und sprach
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