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Die Glücksparade

Die Glücksparade

Titel: Die Glücksparade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Martin Widmann
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ausheben, bin ich dabei.»
    «Und warum?»
    «Meinst du, hier war schon immer ein Campingplatz?»
    Ich verstand nicht, was er meinte.
    «Dahinten», sagte er und fuchtelte mit einer Hand in Richtung der Pappeln und der Brücke, «war auch nicht immer diese dreckige, kleine Stadt. Da liegt eine Menge Zeug im Boden, von früher.»
    «Und hast du schon mal was gefunden?»
    «Klar», sagte er. «Sachen von vor dem Krieg. Und noch ältere. Ich hab sogar mal ’ne Silbermünze rausgeholt. Eine richtig seltene. Aber halt’s Maul. Das muss nicht jeder wissen.»
    «Gut», sagte ich. Ich schaute die Vogelscheuche an, die sich nicht bewegte. Durch die angelehnte Tür hinter uns war noch immer leise Musik zu hören. Ich glaubte, eine Geige zu erkennen, die zittrig wimmerte. Nach einer Weile ging Petra mit einer Plastiktüte in der Hand zu den Mülltonnen. Erst als sie zurückkam, winkte sie mit einer Hand zu uns herüber, dann verschwand sie in ihrem Wagen.
    «Ist ’ne prima Frau, aber mit so ’nem Dummschwätzer verheiratet», sagte Bubi nach einer Zeit. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, und schaute ihm zu, wie er inhalierte und dabei jedes Mal den Kopf in den Nacken legte und die Unterlippe ein kleines Stück vorschob. Ich fragte mich, ob er von ihren Schneekugeln wusste, und wenn ja, was er darüber dachte.

[zur Inhaltsübersicht]
    [12]
    Als ich am nächsten Tag von meiner Runde mit Benni zurückkam, stand auf dem Parkplatz ein glänzendes schwarzes Auto. Es war ein BMW und so neu, dass es mir sofort auffiel. Das hatte vor allem mit dem glänzenden Lack zu tun, aber auch mit den Reifen, deren Gummi tiefschwarz war, als wäre es feucht. Es sah nicht aus wie die Autos, mit denen die Urlauber herkamen, und es passte nicht hierher auf den stumpfen Schotter. Dann bemerkte ich das Frankfurter Kennzeichen und den Mann, der hinter dem Steuer saß und telefonierte. Ich brachte Benni zum Zwinger, goss ihm das restliche Wasser aus meiner Plastikflasche in seine Trinkschüssel und ließ ihn allein.
    Die Tür zum Container war abgeschlossen, und ich nahm an, dass meine Mutter noch bei Aleki war, deshalb machte ich mich auf den Weg zu deren Hänger. Doch ich kam nicht weit. Ein Mann stand auf der von der Sonne gebleichten Wiese, die mein Vater erst vor kurzem gemäht hatte. Er trug ein hellrosa Hemd und eine Sonnenbrille. Sein Haar war dunkelblond, und er musste es mit einem Gel frisiert haben, das die Haare zu dicken Büscheln zusammenklebte. Unter den Arm hatte er eine schmale Ledermappe geklemmt.
    «Wo kann ich hier den Verwalter finden?», rief er, und im gleichen Moment wusste ich, dass er der Mann aus dem schwarzen BMW sein musste. Ich antwortete, ich könne ihn hinbringen, falls er das wolle. Er schaute sich suchend um, dann nickte er.
    Ich begleitete ihn zur Bürohütte, klopfte an die Tür und drückte sie auf. Mein Vater drehte sich in seinem Stuhl um, sagte aber nichts. Der Mann hatte seine Sonnenbrille in die Brusttasche seines Hemds gesteckt, sodass einer der goldenen Bügel vorn auf dem Stoff klemmte wie eine große Büroklammer.
    «Guten Tag», sagte er.
    Auch mein Vater grüßte und fragte, wie er helfen könne. Außer dem Drehstuhl und dem Hocker gab es hier drinnen nach wie vor nichts, worauf man sich setzen konnte, und nach ein paar Sekunden schien er das zu begreifen, denn er stand auf.
    «Ich würde gern unter vier Augen mit Ihnen sprechen», sagte der andere.
    Mein Vater antwortete, das ließe sich sicher machen. Es war der unbeschwerte Ton in seiner Stimme, den er immer bei fremden Menschen anschlug, aber ich konnte ihm anmerken, dass er überrascht war.
    «Das ist mein Sohn», sagte er und deutete auf mich. Der andere ging darauf nicht ein. Er stand nur da und schaute sich um.
    «Wartest du draußen, ich komme gleich», sagte mein Vater zu mir. Ich nickte, ging hinaus und schloss die Tür der Hütte. Draußen machte ich ein paar Schritte vom Fenster weg und überlegte, was ich anstellen könnte, um beschäftigt zu wirken. Ich wollte nicht weggehen, aber ich wollte auch nicht einfach nur herumstehen und warten. Am liebsten wäre es mir gewesen, es wäre jemand vorbeigekommen, den ich kannte und mit dem ich hätte sprechen können, aber es war niemand da.
    Schließlich ging ich zu dem weißen Gastank und setzte mich dort auf den Boden, sodass ich die Ecke der Blockhütte im Blick hatte. Nicht weit von mir lag eine Schubkarre umgestürzt auf einem Haufen aus gemähtem Gras, auch drei alte Blumenkästen

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