Die Glücksparade
lagen hier herum und ein Stapel Backsteine. Ich versuchte, an gar nichts zu denken, ich atmete den Geruch des Flussschlamms in der Sonne ein und stocherte mit einem trockenen Zweig im Gras, bis er abbrach.
Nach einer Weile rief mein Vater nach mir und bat mich herüberzukommen, also stand ich auf und ging wieder zurück. Die Tür hielt er weit geöffnet, und er zog sie hinter mir zu. Wie ein Schauspieler kam er mir dabei vor, als er sagte: «Simon. Es gibt hier ein Problem, und ich möchte gerne, dass es aus der Welt geschafft wird.»
Der andere Mann stand mit dem Rücken ans Fenster gelehnt im Halbdunkel. Er seufzte.
«Ich sehe nicht, wie uns das weiterhelfen soll.»
«Um es geradeheraus zu sagen», begann mein Vater. «Man wirft mir vor, ich hätte Geld veruntreut.»
«Das haben Sie selbst so gesagt», erwiderte der Mann.
«Aber darauf läuft es hinaus», sagte mein Vater. «Und es gibt keinen Grund, die Dinge nicht beim Namen zu nennen.»
Der Mann lächelte, als täte ihm etwas weh. Er antwortete, es habe Beschwerden gegeben und denen müsse er nachgehen. Sein rosa Hemd hatte sich unter den Achseln dunkel verfärbt. Ihm war anzumerken, dass er sich nicht wohl fühlte in dieser Situation, und ich spürte auch, dass mein Vater das ausnutzen wollte, denn als er den Satz über das unterschlagene Geld ausgesprochen hatte, wusste ich, dass es stimmte, und etwas stieg heiß in mir auf und kitzelte mich im Hals. Ich dachte wieder an die Männer, die uns nachts die Tür eingetreten hatten, und dass jetzt schon zum zweiten Mal irgendwie Geld im Spiel war, wenn Fremde hier auftauchten. Trotzdem blieb ich völlig ruhig. Ich schluckte nur mehrmals, als mein Vater erklärte, es gebe zwei Anschuldigungen.
«Ist das korrekt?»
Der andere blieb stumm, sein Gesicht lag im Schatten.
«Zum einen heißt es, ich hätte Besuchern angeboten, einen niedrigeren Preis zu bezahlen, unter der Hand. Zum anderen soll ich von jemandem einen Aufpreis verlangt haben, weil sein Wagen größer war als üblich. Eine Überlängegebühr. Wie im Kino.» Wieder sah er zu dem anderen hin und fragte, ob das so stimme. Jetzt nickte der.
«Also», sagte mein Vater. «Soweit ich sehen kann, kommen diese Behauptungen von zwei Leuten, und bei einem weiß ich auch genau, was dahintersteckt.» Er nickte mir kurz zu, bevor er fragte, ob ich mich noch an die Österreicher mit dem Trailer erinnern könne.
Ich antwortete nicht.
«Du warst dabei, als sie bezahlt haben und ich gerade keine Rechnungsformulare mehr hatte. Deshalb habe ich ihnen eine handschriftliche Rechnung machen müssen. Und der alte Herr hat sich furchtbar aufgeregt deshalb. Sie müssten dringend sofort abfahren, hätten auch schon gepackt. Ich hab mich mehrmals entschuldigt, aber der wollte nicht drauf eingehen, er hat uns sogar beleidigt. Und jetzt schwärzt er mich an.»
«Ja», sagte ich. «Ich war dabei.» Ich log einfach und hoffte, damit wäre alles vorbei. Aber so war es nicht. Der Mann holte mit dem Arm in meine Richtung aus und hustete.
«Ich kann hier nichts machen», sagte er.
Mein Vater fragte, ob er ihn etwa einen Lügner nennen wolle, und wenn ja, warum er es nicht offen ausspreche, und was dann kam, fühlte sich an, als fiele ich in einem Traum aus großer Höhe in die Tiefe. Er knallte seine Ledermappe auf die Schreibtischplatte, und ich glaubte, als Nächstes würde er meinen Vater schlagen, denn er machte eine wilde Bewegung auf ihn zu, sein linker Arm schlenkerte nach vorn wie der Arm einer Puppe, wieder hustete er, und er stieß mit dem Zeigefinger in die Luft. Er verlangte von meinem Vater, ihm jetzt gut zuzuhören, danach wolle er gehen. Er hustete wieder, noch heftiger, fing sich wieder, dann sagte er, ganz egal, was hier vor sich gegangen sei, wenn noch irgendetwas vorfalle, würde er einen neuen Verwalter bestellen.
Ich fand es seltsam, dass er
bestellen
gesagt hatte, und fragte mich, warum er dieses Wort benutzt hatte, als er sich krümmte und rot wurde im Gesicht. Mein Vater sprang zu ihm hin, bekam ihn unter den Achseln zu fassen und fing ihn auf. Er zog ihn mit sich und drückte ihn auf den Drehstuhl. Während er dort saß und ich zuschaute, wie mein Vater ihm die obersten Knöpfe seines rosa Hemds aufriss und sich dann die Ledermappe nahm, nach der der Mann zu greifen versuchte, glaubte ich, eine Menge über ihn zu wissen und sein ganzes Leben zu kennen. Ich war mir sicher, dass er in einem neuen Reihenhaus mit Terrasse wohnte, in einem Vorort, dass er
Weitere Kostenlose Bücher