Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
mehr wusste. Doch am Eingangstor zum Kloster war ein Polizist mit müden Augen und hängenden Schultern postiert, der sie unfreundlich abwies. Nachdenklich blickte sich Emma um. Vom Café gegenüber waren das Tor des Klosters und auch die Tür des Gästehauses gut zu sehen. Sie ging hinüber und suchte sich einen Sitzplatz am Fenster. Sie fuhr ihren Laptop hoch und begann die wichtigsten Fakten, die sie bisher kannte, zusammenzuschreiben. Aus den Augenwinkeln registrierte sie jede Bewegung auf der anderen Straßenseite.
Sie musste etwa zwei Stunden warten, bis endlich Pfarrer Windisch aus dem Gästehaus trat. Emma packte ihren Laptop zusammen und verstaute ihn in ihrer Tasche. Sie legte zehn Euro auf den Tisch und trat auf die Straße. Windisch war bereits einige Meter vom Kloster entfernt. Emma holte ihn rasch ein.
»Entschuldigen Sie bitte«, sprach sie ihn an.
Windisch wandte überrascht den Kopf, ohne langsamer zu gehen. Der Pfarrer hatte weiche Gesichtszüge und ein Doppelkinn, das über sein Kollar hing, den weißen Kragen der Kleriker. Emma zeigte ihm ihren Presseausweis.
»Habe leider keine Zeit«, knurrte Windisch kurzatmig.
»Sie haben vor kurzem Ihre ehemalige Klassenkameradin Miriam Schürmann in Mainz in ihrer Wohnung besucht«, sagte Emma rasch.
Windisch hielt inne und starrte sie verblüfft an. »Wer sagt das?«
Emma blieb einen halben Schritt vor ihm stehen. »Die Nachbarin hat Sie gesehen«, erwiderte sie ruhig.
»Ja, und?« Der Geistliche blickte sie drohend an.
»Was wollten Sie von ihr?«
»Ich habe eine ehemalige Klassenkameradin besucht, und das war’s. Und jetzt lassen Sie mich zufrieden, ich habe zutun«, keuchte Windisch und setzte sich schwerfällig in Bewegung.
Emma sah ihm nach und nickte zufrieden. Windisch hatte also tatsächlich Miriam Schürmann kurz vor ihrem Tod einen Besuch abgestattet.
25. Kapitel
Wenn einmal solcher Wind und solches Feuer in ihre beiden Behälter fallen, so verrichten sie alle ihre Pflichten in Ehrbarkeit und mit besonnener Liebe, so daß ihr Stamm in Ehren blüht und grünt.
Der Himmel hing voller Wolken, als Paul das Funkhaus verließ. Der Parkplatz vor dem Gebäude war wie leergefegt. Es war später Nachmittag und trotzdem schon fast dunkel. Paul öffnete die Tür seines Wagens und ließ sich schwer hinter das Steuer fallen. Dann stellte er sein Handy in die Freisprechanlage und drückte auf den Wahlwiederholungsknopf, bis auf dem Display Griesers Name aufleuchtete. Als der Summton für die freie Leitung zum zweiten Mal ertönte, unterbrach er den Wahlvorgang. Stöhnend rieb er sich das Gesicht.
»Verdammt«, knurrte er und warf das Handy auf den Sitz neben sich. Dann schnallte er sich an und startete den Motor. Der Klingelton seines Handys erklang. Paul warf einen flüchtigen Blick auf das Display. Grieser. Paul murmelte einen Fluch.
»Hast du es gerade bei mir versucht?«, fragte Grieser.
»Ja«, erwiderte Paul gedehnt.
»Ich hatte nicht mehr mit dir gerechnet«, sagte Grieser.
»Wie war dein Tag?«
Paul erzählte von der Massenkarambolage, die sich am Nachmittag im Feiertagsverkehr ereignet hatte. Darüber hatte er einen kurzen Einspieler für die Abendnachrichten gemacht.
Grieser erwiderte nichts, er schien zu warten.
»Es hat im Kloster einen weiteren Mord gegeben«, sagte Paul zögernd.
»Ja«, erwiderte Grieser. »Wie du erwartet hast. Ich habe zwar weitere Streifen genehmigt bekommen, aber sie konnten den Mord nicht verhindern.«
Paul sah im Rückspiegel, wie an einem auf dem Parkplatz zurückgebliebenen Fahrzeug die Lichter angingen. Dann stieß es aus der Parklücke. Paul startete seinen Wagen und fuhr einige Meter rückwärts, so dass er die Parkplatzausfahrt frei gab. Steininger, sein Kollege von der Fachredaktion Wissenschaft, nickte ihm im Vorüberfahren zu.
»Du weißt, dass ich nichts weitergeben darf«, fuhr Grieser fort, »schon gar nicht an die Presse.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte Paul schnell, »ist schon in Ordnung.«
»Ich habe keine Geheimnisse vor dir. Ich möchte nur sicher sein, dass dir klar ist, das erzähle ich meinem … einem Freund«, korrigierte sich Grieser, »dem ich hundertprozentig vertraue.«
»Brauchst du nicht«, unterbrach ihn Paul.
»Markus Hertl ist in seinem eigenen Bett mit einem Elektroschocker betäubt und dann gefesselt worden«, fuhr Grieser unbeirrt fort. »Dann wurde ihm sein Penis abgeschnitten und in den Mund gestopft. Er ist an seinem eigenen Genital
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