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Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Huesmann
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dass sich Miriam Schürmann erst seit ein paar Wochen mit Hildegard von Bingen beschäftigt hat. Es gab nur wenige Aufzeichnungen in ihrer Wohnung, und die Bücher waren entweder neu gekauft oder erst vor kurzem ausgeliehen worden.«
    »Hm«, brummte Grieser. »Sieht ja so aus, als hätte sie erst jetzt einen Grund gehabt, sich näher mit der Handschrift zu befassen, die sie angeblich haben soll.«
     
    Die Hoffnung auf einige ruhige Minuten zerschlug sich, als Schwester Lioba nach dem Konventamt endlich ihr Büro erreichte. Schwester Beatrix wartete bereits und teilte ihr mit, dass Pater Windisch mehrfach nach ihr gefragt hatte.
    Schwester Lioba senkte den Blick und nickte. Sie betrat ihr Büro, schloss die Tür und ließ sich auf ihre kleine Kniebank sinken. Sie senkte den Kopf, faltete ihre Hände und suchte das stumme Zwiegespräch mit Gott. Es war schwer, in diesen Zeiten nicht vom rechten Weg abzukommen. Obwohl, sie musste sich korrigieren, das größte Problem im Moment war, herauszufinden, was der rechte Weg war. Er sollte sie zum Herrn führen, daran bestand kein Zweifel, doch welcher Weg war der richtige, der anderen Menschen möglichst wenig Leid zufügte und dennoch Gott wohlgefällig war?
    Ein energisches Klopfen unterbrach ihre Gedanken. Die Äbtissin stieß einen Seufzer aus, beendete ihr stummes Gebet und schlug das Kreuzzeichen. Sie erhob sich und trat hinter ihren Schreibtisch.
    »Herein«, rief sie und blickte Pater Windisch ruhig entgegen. Er war wie immer tadellos mit einem schwarzen Anzug bekleidet. Sein Gesicht wirkte düster. Schwester Lioba bat ihn, auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen, und setzte sich ebenfalls.
    »Ehrwürdige Mutter«, begann Windisch. Trotz seines unterwürfigen Tonfalls war sein Blick fordernd. »Die jüngsten Ereignisse sind erschreckend. Dennoch sollten wir deshalb nicht den Kopf verlieren.«
    »Pater«, erwiderte Schwester Lioba und musste an sich halten, um nicht laut zu werden, »es geht nicht mehr um uns und unser Schicksal. Bereits zwei Menschen haben ihr Leben verloren, und wir müssen verhindern, dass weitere Menschenleben in Gefahr geraten.«
    Windisch schwieg. Sein undurchdringlicher Blick haftete an ihrem Gesicht. Schwester Lioba hatte das ungute Gefühl, dass er abschätzte, wie sehr er sie noch in der Hand hatte. Er strich sich über das Gesicht, als wolle er jeden Ausdruck wegwischen, und stand auf. Dann schritt er an ihrem Schreibtisch vorbei und trat vor das Fenster. Dort blieb er mit dem Rücken zu ihr stehen und legte die Hände ineinander.
    »Ehrwürdige Mutter«, begann er erneut. Jede Unterwürfigkeit war aus seiner Stimme gewichen. Windisch wandte sich um und musterte sie drohend. »Was geschehen ist, können wir nicht ungeschehen machen. Ich bedaure es zutiefst, dass zwei Menschen ihr Leben verloren haben. Doch ich denke nicht, dass noch weitere Menschen in Gefahr sind. Deshalb erscheint es mir auch nicht notwendig, der Polizei mitzuteilen, was damals im Internat geschehen ist. Wir sollten um die Toten trauern und unser Leben weiterleben.«
    Entsetzt starrte Schwester Lioba ihn an. »Aber Pater«, wandte sie ein, »wir müssen doch der Polizei eine Chancegeben, herauszufinden, wer für diese Morde verantwortlich ist, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. Und das Schlimmste ist …« Ihre Stimme zitterte. »Und das Schlimmste ist, dass es einer von uns sein muss. Einer von uns dreien.«
    Windisch brachte sie mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen. Er schien nicht wahrgenommen zu haben, dass Schwester Lioba indirekt in Betracht gezogen hatte, dass auch er ein Mörder sein könnte.
    »Gott straft die Menschen, die Strafe verdient haben«, sagte er. »Ich zweifle nicht, dass einer aus der Clique geredet hat und die Dinge, über die wir niemals wieder sprechen wollten, an Außenstehende weitergetragen hat. Irgendjemand versucht nun, auf diesem Weg an die wertvolle Handschrift heranzukommen.«
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Schwester Lioba scharf. »Und die Polizei muss endlich herausfinden, wer hinter diesen schrecklichen Taten steckt.«
    Pater Windisch straffte sich. Sein Gesicht erinnerte Schwester Lioba an den Mann, wie sie ihn seit Jahren kannte. Glatt, undurchdringlich. Das Düstere war einer Entschlossenheit gewichen, die ihr Angst machte.
    »Ehrwürdige Mutter«, begann er und nickte, als wolle er seinen Worten mehr Nachdruck verleihen. »Ihre Gemeinschaft steckt in einer Notlage. Ihre finanzielle Situation ist katastrophal.

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