Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
doch dann nickte sie. »Ja, ich hatte gefürchtet, eine weltliche Buchprüferin würde schnell erkennen, dass die Rechnungen der Wäscherei deutlich unter ihrem eigenen Angebot lagen. Die Großwäscherei hatte ihn unterboten, doch der Auftrag gab ihm die Möglichkeit, mich regelmäßig zu sehen. Deshalb nahm er viel zu niedrige Preise.«
»Was er vermutlich nur für das Gästehaus des Klosters getan hat«, erwiderte Schwester Lioba. »Ich bin froh, dass Silvia Neureuther Ihren Anruf unter falschem Namen so schnell durchschaut hat. Ihr Besuch bei uns ist ein erster wichtiger Schritt in eine neue Zukunft.«
In die Wangen von Schwester Adelgund stieg sanfte Röte.
»Es tut mir leid«, erwiderte sie. »Am vergangenen Wochenende waren Herr Mittenfelder und ich auf einmal unsicher,ob wir das Richtige tun. Ob ich den Konvent wirklich verlassen soll. Und ob er nicht doch zu seiner Frau zurückkehren soll. Da habe ich Panik bekommen, dass es nach dem Besuch von Silvia Neureuther kein Zurück mehr für mich geben könnte.«
»Manche Dinge lassen sich nicht mehr rückgängig machen«, erwiderte Schwester Lioba.
Schwester Adelgund nickte. »Ehrwürdige Mutter, würden Sie ein letztes Mal mit mir das Vaterunser sprechen?«
Schwester Lioba erhob sich wortlos und ging zu ihrer kleinen Gebetbank hinter der Tür. Dort kniete sie nieder. Schwester Adelgund schob den Stuhl zur Seite und kniete neben ihr auf den Teppich. Gemeinsam senkten sie ihre Köpfe und falteten die Hände. Die Äbtissin sprach mit fester Stimme das Vaterunser, Schwester Adelgund fiel ein. Ihre Stimme hatte an Stärke nicht verloren. Schwester Lioba sprach eindringlich die Worte, die ihr schon oft Halt gegeben hatten. Gemeinsam beendeten sie das Gebet, dann erhoben sie sich.
Schwester Adelgund ging zur Tür und legte die Hand auf die Türklinke. Sie zögerte.
»Ja?«, fragte Schwester Lioba.
»Es gibt noch eine Sache, die ich Ihnen sagen muss.« Schwester Adelgund wandte sich um, die Hände gefaltet, den Kopf erhoben. »Ich habe mich in den vergangenen Wochen einige Male mit Volker, mit Herrn Mittenfelder, getroffen. Nachts. Um unbemerkt das Kloster verlassen zu können, bin ich durch das Gästehaus gegangen.«
Schwester Lioba nickte. Als Gastschwester hatte Schwester Adelgund die Schlüssel zum Gästehaus und konnte von dort in den Ort gelangen.
»Ich war auch in der Nacht von Samstag auf Palmsonntag bei Herrn Mittenfelder. Es gab so viel zu besprechen, weilwir uns nicht sicher waren, was wir tun sollten. Ich war bei ihm von dreiundzwanzig Uhr bis vier Uhr morgens. In dieser Zeit war das Gästehaus unverschlossen. Ebenso in der vergangenen Nacht. Denn wir mussten eine Entscheidung treffen.«
Schwester Lioba blickte Schwester Adelgund fragend an. Dann begann ihr zu dämmern, was die Schwester damit sagen wollte.
»Das heißt, in dieser Zeit konnte unbemerkt jeder von außen über das Gästehaus ins Kloster gelangen.«
Schwester Adelgund nickte. Dieses Eingeständnis schien ihr weitaus schwerer zu fallen als die Beichte zuvor. Nun traten ihr Tränen in die Augen.
»Ehrwürdige Mutter, vielleicht bin ich schuld daran, dass ein Mörder Zugang zum Kloster hatte und diese schrecklichen Taten begehen konnte.«
»Unsinn«, erwiderte Schwester Lioba. »Der Mord an Miriam Schürmann wurde gegen 19.30 Uhr verübt, das hat mir der Hauptkommissar mitgeteilt. Sie haben also keinerlei Schuld daran. Es könnte allerdings sein, dass der Mörder die offene Tür des Gästehauses genutzt hat, um im Laufe der Nacht erneut in das Kloster zu gelangen und die Leiche vom Gästehaus in die Abteikirche zu bringen.«
»Aber in der vergangenen Nacht«, wandte Schwester Adelgund ein.
»Ein Mörder hätte in jedem Fall den Weg ins Gästehaus gefunden«, erwiderte Schwester Lioba entschieden. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken.«
Erleichterung breitete sich auf dem Gesicht von Schwester Adelgund aus.
»Aber Sie werden zur Polizei gehen müssen und eine Aussage machen«, sagte Schwester Lioba.
Schwester Adelgund nickte.
»Noch heute«, betonte die Äbtissin.
Schwester Adelgund nickte erneut. »Danke«, sagte sie, und nun trat ein Leuchten in ihr Gesicht, das Schwester Lioba schon lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte.
Eigentlich hätte mir das schon früher auffallen können, dachte die Äbtissin. Mit einem tiefen Atemzug nahm sie wieder den Platz hinter ihrem Schreibtisch ein. Sie spürte, wie die Sorge zurückkehrte. Mit Schwester Adelgund hatte eine äußerst
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