Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
worden.
Emma spürte, wie ihre Hände zitterten, als sie sich Notizen machte. Sie zwang sich, die Rolle der Journalistin einzunehmen. Als sie wieder den Kopf hob, begegnete sie dem finsteren Blick Griesers. Er musterte sie kurz, dann wandte er sich einer Journalistin zu, die nach der genauen Todesursache fragte.
Der Hauptkommissar berief sich wie erwartet auf laufende Ermittlungen und auf die noch nicht stattgefundene Obduktion. Die Journalisten stellten weitere Fragen, doch sie bekamen nur wenig Auskunft. Hertl war offenkundig gegen Morgen von einem Polizisten in seinem Bett ermordet aufgefunden worden. Die Tür des Gästehauses zur Straße hin sei nicht verschlossen gewesen. Es hätte jeder Zugang zum Gästehaus gehabt.
Emma begriff, dass die Polizei völlig im Dunkeln tappte.
»Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen diesem Mord und dem Mord am Palmsonntag?«, rief ein junger Mann mit schwarzem Zopf, den Emma für einen Volontär der Lokalzeitung hielt.
»Ja«, erwiderte Grieser einsilbig.
»Woran genau machen Sie das fest?«, fragte eine Kolleginvon einem überregionalen Nachrichtenmagazin. Sie hielt ihren Notizblock wie einen Schutzschild vor sich.
Grieser schüttelte den Kopf. Kein Kommentar. Emma sah, wie der Staatsanwalt ihm einen raschen Blick zuwarf und nervös seine Fliege zurechtrückte.
Es muss irgendetwas Auffälliges bei dem Toten gegeben haben, dachte Emma. Sie schloss gequält die Augen und lauschte auf die Geräusche. In dem überfüllten Raum war es warm, das Rascheln von Papier war zu hören, mehrere schrieben direkt in ihren Laptop. Kameras liefen, Rundfunkjournalisten schoben sich mit ihren Aufnahmegeräten dazwischen.
Auf einmal sah Emma Hertls Gesicht vor sich, wie er sie gestern Abend bei ihrem Abschied küsste. Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen und riss sich dann zusammen. Sie öffnete die Augen und starrte nach vorne, wo sich der Staatsanwalt mit den üblichen Worten verabschiedete. Der Saal leerte sich rasch. Zurück blieben leere Stühle, Mikrofone auf einem weißen Resopaltisch, daneben halbleere Flaschen mit Mineralwasser und einige benutzte Gläser.
Emma wand sich durch verschobene Stuhlreihen. Im Foyer drängten sich die Kollegen im Gespräch, einige neugierige Blicke streiften ihr Gesicht. Emma grüßte unkonzentriert und ging hinaus. Der Himmel hatte sich bezogen, der Geruch von Frühlingsregen füllte die Luft. Emma blieb stehen und blinzelte in den Himmel. Sie spürte Feuchtigkeit auf ihrer Haut, obwohl es noch nicht zu regnen begonnen hatte.
Im Gehen griff sie nach ihrem Handy und wählte Pauls Nummer. Sie steuerte auf den Spazierweg zu, der unterhalb der Klostermauer zum Parkplatz führte.
»Hallo, Prinzessin.«
Als sie Pauls vertraute Stimme hörte, traten ihr Tränen indie Augen, gegen die sie sich nicht mehr wehrte. Paul wartete geduldig, bis ihr Schluchzen nachließ.
»Wie war die Pressekonferenz?«, fragte er dann ruhig.
»Sie haben nicht gesagt, wie er zu Tode gekommen ist«, berichtete Emma und rieb sich die Tränen von den Wangen.
»Das ist nur eine Frage der Zeit«, antwortete er tröstend, »früher oder später wird die Polizei auch damit an die Öffentlichkeit gehen.«
»Grieser weiß mehr.« Emma erreichte den Parkplatz und blieb im Windschatten der Klostermauer stehen. Erste Windböen trieben vereinzelte Regentropfen über den Parkplatz.
»Und?«, erwiderte Paul zögernd.
»Du könntest ihn fragen«, sagte Emma. Sie hob den Kopf und genoss das Gefühl von Wind und Regen auf ihrer Haut.
»Du weißt, dass er keine Dienstgeheimnisse preisgeben darf.«
»Es würde mir sehr helfen«, sagte sie leise.
»Hm«, hörte sie ihn brummen. Im Hintergrund waren die Geräusche der Redaktion zu hören, Stimmengewirr, das Klingeln eines Telefons. Paul hatte Bereitschaftsdienst.
»Ist in Ordnung«, erwiderte sie versöhnlich, »egal, wie du dich entscheidest.«
»Ich muss weitermachen«, sagte Paul, »melde mich später wieder, bis dann, Prinzessin.«
Emma verstaute das Handy in ihrer Handtasche. Sie konnte es kaum fassen, wie sich ihr Leben in den vergangenen Tagen verändert hatte. Sie fürchtete, dass ihr Vater mehr mit dem Selbstmord des Mönchs zu tun hatte, als er zugeben wollte. Sie hatte einen Mann kennengelernt, den sie wirklich mochte. Und sie hatte ihn wenige Tage später wieder verloren.
Emma strebte der Klosteranlage entgegen. Wenn Hertls Tod tatsächlich mit brisanten Einzelheiten der Handschriftzusammenhing, dann gab es einen, der
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