Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
Sie brauchen Zeit und vor allem Geld, um diese Situation zu überbrücken, bis sie eine neue wirtschaftliche Grundlage für Ihren Konvent geschaffen haben.«
Misstrauisch blickte Schwester Lioba ihn an. Der plötzliche Themenwechsel bereitete ihr Sorgen.
»Sie brauchen dringend Geld von der Diözese, um über die nächsten Monate zu kommen. Geld, das Ihnen keine Bank geben wird, weil sie derzeit noch kein tragfähiges wirtschaftliches Konzept vorlegen können.«
Die Äbtissin starrte ihn an. Sie hatte Windisch immer auf dem Laufenden gehalten, weil sie sich Hilfe von ihm versprochen hatte. Nun geschah genau das Gegenteil von dem, was sie sich erhofft hatte.
»Der Bischof hört auf mich. Sie werden nur Geld von ihm bekommen, wenn ich es für richtig halte.«
Ihr wurde kalt, als sie begriff, worauf Windisch hinauswollte.
»Sie sind auf meine Fürsprache angewiesen«, fuhr Windisch fort. »Und ich werde nur für Sie sprechen, wenn ich wirklich daran glaube, dass Ihr Konvent eine Überlebenschance hat. Sollte die Polizei …«, Windisch zögerte, er schien nach einer Formulierung zu suchen, die seine Erpressung in gnädige Worte kleidete, »der Meinung sein, dass Sie ganz persönlich in ein Mordgeschehen verwickelt sind, so könnte ich die Frage auf eine reelle Überlebenschance Ihres Konvents nur verneinen. Das würde bedeuten, dass Sie und ihre Mitschwestern nicht mit der finanziellen Unterstützung der Kirche rechnen könnten. Ihre Gemeinschaft wäre dem Untergang geweiht.«
Schwester Lioba nahm sich zusammen. Am liebsten hätte sie ihm direkt ins Gesicht gesagt, was sie von dieser Erpressung hielt.
»Und wenn Sie schon keine Rücksicht auf Ihre eigene Person nehmen«, erklärte Windisch weiter, »dann doch auf Ihre Mitschwestern. Auf ewige Zeiten wären Sie die letzte Äbtissin in der Nachfolge Hildegards von Bingen, unter deren Leitung das Kloster endgültig dem Untergang geweiht ist.« Breitbeinig stand er vor ihr, beide Hände wie zum Gebet erhoben.
Schwester Lioba sammelte sich. »Und gemeinsam mit uns wären Sie ebenfalls genötigt, den Rückzug aus Ihren Ämtern anzutreten«, erwiderte sie ungerührt. Die Karriere war dasEinzige, das Windisch etwas bedeutete. Vermutlich sogar noch mehr als seine Liebe zu Gott.
Windisch verzog den Mund zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Daran müssen Sie mich nicht erinnern, ehrwürdige Mutter«, sagte er glatt und senkte für einen Moment die Lider, als wolle er eine Verbeugung andeuten, »dass unser Schicksal untrennbar miteinander verwoben ist. Wenn Sie reden, ist mein Dasein in der Kirche für immer beendet. Nur wenn Sie schweigen, kann ich meinen Weg weitergehen, der nicht nur mir den erhofften Erfolg bescheren wird, sondern auch das Beste ist für unsere Mutter Kirche und … auch das Beste für das Schicksal Ihres Konvents. Wenn Sie schweigen, werden wir alle überleben. Wenn Sie reden, werden wir alle den Weg mitgehen müssen, den Sie gewählt haben.«
Windisch blickte sie herausfordernd an, hob fragend die Augenbrauen und hielt ihren Blick fest.
»Ich denke«, sagte er, »nun ist der Moment gekommen, in dem es sich entscheidet, ob Sie bereit sind, das Wohl der Gemeinschaft über Ihr eigenes Wohl zu stellen.«
Die Pressekonferenz fand im Hotel
Zum Schwanen
statt. Emma war sich zunächst nicht sicher, ob es eine gute Idee war, dort hinzugehen. Doch irgendwie schien es ihr einfacher, mit dem Tod Hertls fertig zu werden, wenn sie mehr Informationen darüber hatte, was mit ihm in der vergangenen Nacht passiert war.
Im Prunksaal des Hotels fand Emma mit Mühe noch einen Platz in der letzten Stuhlreihe. Es waren zahlreiche Lokaljournalisten gekommen, aber auch viele Kollegen von überregionalen Blättern. Emma begrüßte etliche Kolleginnen, ohne sich lange aufzuhalten. Vor dem Tisch nahe dem Eingang, auf dem die Mikros zurechtgestellt waren, drängtensich die Kameraleute, zwischen ihnen die Kolleginnen vom Rundfunk.
Grieser war der Erste, der den Raum betrat, ihm folgten sein Vorgesetzter, ein breitschultriger Mann mit erstaunlich kleinen Händen, der Staatsanwalt im dunklen Anzug mit einer deplatziert wirkenden gelb gepunkteten Fliege, der Pressesprecher mit dezenter Krawatte und zuletzt der Polizeipräsident in unauffälligem beamtengrauem Anzug. Die Fakten, die der Staatsanwalt bekanntgab, waren dürftig. Ein Mann war tot aufgefunden worden; vermutlich war er im Laufe der Nacht in seinem Zimmer im Gästehaus des Klosters ermordet
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